Klugheit wird in Form von Wissen weitergegeben

In der überwiegenden Mehrzahl der Gesellschaften ist Klugheit nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sondern ein Wert, den man pflegen muss. Allan Guggenbühl erklärt: „Gemeinschaften haben eine größere Überlebenschance, wenn kluges Denken und Handeln formalisiert und weitergegeben wird. Eine Gesellschaft würde bald zusammenbrechen, wenn jeder und jede sich nur auf persönliche Kompetenzen verlassen würde. Kluge Gedanken und Einsichten werden dann durch Institutionen gehütet und durch Rituale weitergegeben.“ Einsichten und Schlussfolgerungen der Mitmenschen und der Ahnen können Menschen helfen, aktuelle Probleme und Herausforderungen zu verstehen und zu bewältigen. Klugheit wird in Form von Wissen weitergegeben. Die älteren Generationen oder weise Menschen berichten von den Erkenntnissen, die bei der Bewältigung schwieriger Herausforderungen gezogen wurden. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Die Wurzeln des Glücks liegen in der Natur

In ihrem Buch „Die Wurzeln des Glücks“ erklärt Lucy F. Jones wie Wissenschaftler und Therapeuten viele erstaunliche Wechselwirkungen zwischen der natürlichen Umgebung und der geistigen und seelischen Gesundheit der Menschen entdecken. Im Jahr 2005 prägte der amerikanische Autor Richard Louv den Begriff der „Naturdefizit-Störung“. Er bezeichnete damit die negativen Auswirkungen mangelnder Berührungspunkte mit der Natur auf die allgemeine Gesundheit des Menschen. Es kommt dabei zu einer Unterentwicklung der Sinne, Konzentrationsschwierigkeiten und zur Zunahme von körperlichen und geistigen Krankheitsbildern. Wer sich dagegen auf die Natur einlässt, erneuert und regeneriert sich. Denn die Natur hilft den Menschen dabei, die Welt, in der sie sich wiederfinden, zu verstehen und ihr Bedeutung abzugewinnen. Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

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Die Zivilisation führt Krieg gegen die Kultur

Der moderne Kulturbegriff hat viele Ursprünge. Bedeutung erlangte er erstmals Ende des 18. Jahrhunderts als Kritik am Industrialismus, aber auch als Gegenpol zum Revolutionsbegriff. Terry Eagleton ergänzt: „Gleichzeitig begann die Kultur für den romantischen Nationalismus eine zentrale Rolle zu spielen. Im 19. Jahrhundert tauchte der Kulturbegriff in den Debatten über Kolonialismus und Anthropologie auf. Er diente aber auch als Ersatz für schwindende religiöse Werte.“ In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Kultur zu einer regelrechten Industrie. Und sie fand in bisher unbekanntem Ausmaß Eingang in das öffentliche Bewusstsein. In den mittleren Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts erlangte sie zentrale Bedeutung für neue Formen des politischen Konflikts. Das ist eine Entwicklung, die sich in der Gegenwart als Multikulturalismus und Identitätspolitik fortsetzt. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Viele Menschen wollen ihr eigener Herr sein

Jonathan Aldred weiß: „Echte Freiheit erfordert mehr als die oberflächliche Möglichkeit, sich entscheiden zu können.“ Der Philosoph Isaiah Berlin hat eine klassische moderne Analyse von Freiheit verfasst. Er wies unter anderem darauf hin, wie totalitäre Regime Freiheit mit einer vorgetäuschten Entscheidungsfreiheit gleichsetzen. Er argumentierte: „Ich kann nicht frei handeln, wenn ich in einem totalitären Staat unter der Androhung von Folter einen Freund verrate.“ Aber natürlich hat der Bedrohte eine Entscheidung getroffen. Also reicht die bloße Existenz von Alternativen nicht aus, um sein Verhalten wirklich frei zu machen. Die „positive“ Bedeutung des Wortes „Freiheit“ leitet sich für Isaiah Berlin aus dem Wunsch des Individuums ab, sein eigener Herr zu sein. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

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Die Kugelform der Erde ist seit 2500 Jahren bekannt

Schon zu Lebzeiten des großen Denkers Aristoteles war die griechische Welt größtenteils von der Kugelgestalt der Erde überzeugt. Eine Generation davor war die Vorstellung einer kugelförmigen Erde zwar auch schon weit verbreitet, aber die Dinge waren noch nicht so klar. In seinem „Phaidon“ lässt Platon Sokrates sagen, er glaube, die Erde sei rund, nicht ohne hinzuzufügen, er könne dies nicht überzeugend beweisen. Diese Passage im „Phaidon“ ist das älteste bekannte Zeugnis für die Akzeptanz einer kugelförmigen Erde. Platon und Aristoteles können klar unterscheidet zwischen glauben und etwas mit überzeugenden Argumenten beweisen. Carlo Rovelli denkt, dass ein durchschnittlich gebildeter Student von der Kugelgestalt der Erde überzeugt ist. Doch er bezweifelt, dass dieser einen direkten und überzeugenden Beweis für diese Überzeugung anführen kann. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik in Marseille.

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Die Menschen denken schlau und handeln blöd

Gegen ihre Gefühle sin die Menschen weitgehend machtlos. Der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht hat die Folgen schön auf den Punkt gebracht: „Wir denken schlau und handeln blöd.“ Die Gefühle der Menschen sind ein Ergebnis ihrer biologischen Entstehungsgeschichte. Dirk Steffen und Fritz Habekuss erklären: „Angst vor giftigen Schlangen, Vertrauen zur Familie, Misstrauen gegenüber Ungekannten. Solche Emotionen waren überlebenswichtig für die frühen Menschen. Und von denen haben wir sie geerbt. Sie stecken in unseren Genen.“ Und diese ziehen die Menschen wie Marionetten an unsichtbaren Fäden durch ihre Existenz. Dabei kennen die Gene nur eine Richtung: Expansion. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Besser leben heißt gesünder leben

Urbane Stileliten flüchten in unverdächtige Luxusformen wie hochpreisige Fahrräder und Nahrungsmittel aus dem Biomarkt. Ulf Poschardt stellt fest: „Beide Konsumfelder funktionieren auch als scharfe Distinktion gegen unakademische Aufsteiger, Neureiche und gegen den einfachen Plebejer, der seinen winzigen koreanischen SUV abstottert.“ Besser leben heißt seit der Antike gesünder leben. Askese als Lustgewinn bedeutet, anzuknüpfen an die Ethik der Antike, die bereits das maßvolle Leben als Garanten für Glück und Harmonie entdeckte. In den Klöstern waren schon vor Jahrhunderten alle Prinzipien nachhaltiger Entwicklung grundgelegt. Ob es nun um das Maßhalten geht mit einer Reduktion des Lebenstempos und der Anzahl von Erlebnissen. Oder ob es sich um die Regionalisierung handelt, die auf exotische und Ressourcen vergeudende Lebensmittel und Produkte verzichtet. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Manche Gewohnheiten steigern die Lebensfreude

Im chinesischen „Buch der Riten, Sitten und Gebräuche“ heißt es: „Darum wendet der Weise sich zurück zu den ursprünglichen Gefühlen, um seinen Willen zu harmonisieren. Nachlässigen und verkehrten Gewohnheiten erlaubt er nicht, von seinem Leib Besitz zu ergreifen.“ Wie der Yoga in Indien, so haben auch die alten Chinesen der Beherrschung der körperlichen und seelischen Funktionen die höchste Priorität eingeräumt. Daneben übten sie wohltuende und die Lebensfreude steigernde Gewohnheiten. Albert Kitzler schreibt: „Sie sind der Transmissionsriemen von der Einsicht zum praktischen Leben. Als Pflicht ist hier in erster Linie die Plicht gegen sich selbst meint.“ Richtig verstanden, schließen die Selbstsorge und die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit die Fürsorge für andere mit ein. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Die Liebe ist für Max Scheler ein Urakt

Max Scheler vertritt eine Aktphänomenologie, für die das Fühlen als intentionaler Akt eine zentrale Rolle einnimmt. So etwa beim Erfühlen von Werten in seiner bekannten Schrift „Der Formalismus in der Ethik und die materielle Wertethik“. Mit welcher er sich nicht nur gegen die kantische Pflichtethik wendete. Sondern mit der er auch die Grundlegung einer bis heute einflussreichen Position der Wertethik vorlegte. Es verwundert daher nicht, dass in einer Theorie, die das Fühlen derart aufwertet, auch der Liebe eine wichtige Rolle zugeschrieben wird. Max Scheler postuliert einen Primat des Emotionalen im geistigen Geschehen. Dabei versteht er die Liebe als den „Urakt“ menschlicher Geistestätigkeit. Er geht hier von einem christlichen Liebesgedanken aus, wobei er stark an augustinische Gedanken anknüpft. Max Scheler (1874–1928) war ein deutscher Philosoph, Psychologe, Soziologe und Anthropologe.

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Die große Wahrheit gibt es nicht

Axel Braig entdeckte durch die Lektüre der „Essays“ von Michel de Montaigne, wie hilfreich philosophische Literatur bei der Auseinandersetzung mit den Fragestellungen des eigenen Lebens sein kann. Auf der Suche nach einer alltagstauglichen Philosophie begegnet der Philosoph, Arzt und Musiker Axel Braig in seinem Buch „Über die Sinne des Lebens und ob es sie gibt“ ganz unterschiedlichen Denkern. Dabei setzt er Epikur, Albert Camus, Ludwig Wittgenstein, Emmanuel Lévinas und viele andere in ein Verhältnis zu ganz konkreten Lebensfragen und Lebenslagen. Ohne ein geschlossenes System zu bilden, fügten sich deren Konzepte mit der Zeit für den Autor zu einem zwar lockeren, aber hilfreichen Geflecht. Statt der einen großen Wahrheit baut Axel Braig auf viele Wahrnehmungen. Damit stimmt er in das philosophische „Lob des Polytheismus“ ein, welches der moderne Skeptiker Odo Marquard gesungen hat.

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Es herrscht Angst vor der Inflation

Die wachsende Verschuldung von Staaten und Unternehmen gehören zu den sichtbarsten Folgen der Coronakrise. Diese Schulden lösen große Sorgen aus. Es stellt sich die Frage, ob eine wirtschaftliche Erholung möglich ist, wenn viele Unternehmen einen Großteil ihres Eigenkapitals eingebüßt haben und hoch verschuldet sind. Und wo liegen die Grenzen der Staatsverschuldung? Clemens Fuest fügt hinzu: „Die Kombination aus hohen Staatsschulden und Anleihekäufen der Notenbanken schürt Angst vor Inflation. Dass es dazu kommt, ist aber eher unwahrscheinlich.“ Es spricht viel dafür, dass es nach der Coronakrise zu einer wirtschaftlichen Entwicklung mit niedrigem Wachstum, geringen Inflationsraten und nicht weiter fallenden, aber auch nicht steigenden Zinsen kommt. Staaten und Notenbanken reagierten auf die Coronakrise, indem sie viel Geld bereitstellten, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

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Die meisten Menschen denken nicht ans Sterben

Die vielleicht fundamentalste Erfahrung von Unkontrollierbarkeit ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit. Judith Glück erläutert: „Der Mensch ist das einzige Tier, das weiß, dass es sterben muss, wobei die meisten von uns die meiste Zeit recht erfolgreich darin sind, dieses Wissen zu verdrängen.“ Auch deshalb ist es für viele Menschen schwer erträglich, mit einer Person zusammen zu sein, die gerade jemanden verloren hat oder eine sterbende Person pflegt. Verschiedene Studien zeigen, dass viele Menschen auf die Konfrontation mit dem Thema Sterben mit einem verstärkten Bedürfnis reagieren, die dadurch hervorgerufenen Gedanken abzuwehren. Das tun sie vor allem auf zwei Arten: einerseits durch die Suche nach Selbstbestätigung, durch ein Sich-Besinnen auf die eigenen Leistungen und Fähigkeiten. Andererseits durch die Bestätigung ihres persönlichen und kulturellen Weltbildes. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Die Sprengkraft des Eros wirkt befreiend

Byung-Chul Han ist sowohl der Autor des Essays „Müdigkeitsgesellschaft“ als auch des Buchs „Die Agonie des Eros“. Die Medien schwächen die Gefühle einerseits ab, andererseits verherrlichen sie sie und stellen sie zur Schau. Ohne Bindungen beraubt sich der Mensch jeder Energie. Isabella Guanzini stellt fest: „Die Effizienzgesellschaft betäubt die befreiende Sprengkraft des Eros. Auch er ist inzwischen dem Leistungsdruck unterworfen und wird als Kapital betrachtet, das lediglich vermehrt werden muss.“ Zugleich investiert man die Libido vor allem in das eigene, individuelle Potential. Die Erfahrung des anderen ist das grundlegende Wesen des Eros. Es verwandelt sich leider in ein mehr oder weniger unbewusstes Benutzen des anderen als Spiegel des eigen Ich. Isabella Guanzini ist Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Graz.

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Bismarck verzichtete auf deutsche Machtzuwächse

Will man es nicht bei einem allzu allgemeinen, ja gefühlten Begriff von „Hegemonie“ belassen, so bietet sich das Konzept des kanadischen Politikwissenschaftlers Robert W. Cox an. Dieser versteht Hegemonie als das Zusammenwirken dreier Faktoren: von materiellen Ressourcen, von geteilten Ideen sowie von Institutionen. Andreas Rödder stellt in Bezug auf das Deutsche Reich fest: „Das Deutsche Reich unter Bismarck verfügte über militärische und in zunehmenden Maße auch über die ökonomischen Ressourcen von „hard power“. Hinsichtlich der Ideen und Normen orientierte sich Bismarck ab 1875 an Status quo und Gleichgewicht.“ Dies stimmte mit den Erwartungen der meisten anderen Teilnehmer des internationalen Systems an Deutschland überein. Bismarck zahlte jedoch den Preis, in einem zunehmend dynamischen Machtgefüge auf signifikante deutsche Machtzuwächse zu verzichten. Seit 2005 ist Andreas Rödder Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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Das Klima formt Köper und Geist

Abgeleitet von κλίνω – das griechische Wort für neigen – meint Klima zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger als den Einfallswinkel der Sonne an einem gegebenen Ort. Klima ist also ursprünglich, bei Eratosthenes, Hipparchos und Aristoteles, eine geographische Kategorie, ein Breitengrad. Eva Horn fügt hinzu: „Es bezeichnet Zonen oder, mit einem Ausdruck des 18. … Weiterlesen

Populisten glauben nicht an ihre eigene Rhetorik

Woran kann man populistische Parteien erkennen? Der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller antwortet: „Linke und rechte Politiker verwandeln sich in Populisten, wenn sie behaupten, das wahre, echte und einzige Volk zu repräsentieren.“ Diese Aussage enthält drei Teilaspekte. Erstens die Idee einer korrupten Elite, die nicht zum wahren Volk gehört. Zweiens die Idee eines homogenen Volkswillens, den nur der Populist vertreten kann. Und drittens Antipluralismus, also die Idee einer homogenen Wählerschaft. Philipp Hübl ist da anderer Ansicht: „Bei genauer Betrachtung jedoch sind die Teilelemente der Analyse fraglich. Erstens glauben weder die Populisten an ihre eigene Rhetorik noch ihre Wähler.“ Die Alternative für Deutschland (AfD) positioniert sich beispielsweise gegen alle anderen Parteien, die über 80 Prozent der Wähler repräsentieren. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Reinhard Haller kennt alle Spielarten der Rache

Spektakuläre Gewalttaten und alltägliche Gemeinheiten des Zwischenmenschlichen haben eines gemeinsam. Im Kern von beiden steckt häufig Rache. Psychiater, Suchtexperte und Bestsellerautor Reinhard Haller öffnet in seinem neuen Buch „Rache“ das Tor zu einer bisher weitgehend unerforschten Dimension der Gefühle. Er beschreibt dabei alle Spielarten der Rache und legt ihre Wurzeln frei. Reinhard Haller erklärt wie aus einem dünnen Trieb, etwa in Gestalt einer geringfügigen Zurückweisung, wie sie im Alltag laufend vorkommt, oft Gewaltsames entstehen kann. Rache ist ein Gefühl, das in allen, auch in den engsten Beziehungen, vorkommt. Nicht selten folgen auf die Gedanken an Rache auch Taten. Meist sind es nur geringfügige Boshaftigkeiten, die im Trubel des Alltags kaum Aufmerksamkeit bekommen. Oft entstehen daraus jedoch psychische Probleme und Konflikte in der Partnerschaft oder im Beruf.

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Die Vergangenheit ist nie tot

Gesellschaften brauchen ihre Geschichte. Sie gibt dem Relief des Lebens seine Tiefe. Sie ist ihr Resonanzraum. Richard David Precht erläutert: „Das Gewordene kann sich nur als da, was es ist, erkennen, indem es weiß, woraus es geworden ist. Menschen sind Bewohner dreier Zeiträume: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ Insofern ist das Vergangene nie tot, ja, es ist nicht einmal vergangen – jedenfalls nicht, solange es in den Köpfen von Menschen gegenwärtig ist. Und die Zukunft ist nie ein Versprechen an sich, sondern sie ist es immer nur im Horizont einer Gegenwart, deren Sorgen sie lindert. Die Nöte und Notwendigkeiten des menschlichen Lebens folgen nicht dem Schema von Problem und Lösung. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Der Begriff Macht ist sehr schwer zu fassen

Macht ist das Thema der Geschichtsschreibung, dem man fast überall begegnet, das aber zugleich am schwersten zu fassen ist. Christopher Clark erläutert: „Machtfragen stehen im Zentrum der meisten historischen Narrative. Doch der Begriff selbst wird selten hinterfragt oder analysiert.“ Das Wesen der Macht ist begrifflich so weitreichend und unergründlich aufgebläht, dass man instinktiv dazu neigt, das Wort im Plural zu gebrauchen. „Macht“ ist keine Eigenart, die man Gruppen oder Einzelpersonen zuschreiben kann. Vielmehr drückt sich darin eine Beziehung untereinander aus. Folglich ist Macht weder eine substantielle Entität, noch eine Institution. Michel Foucault lehnte es ab, den Begriff unter einer separaten Rubrik zu behandeln. Sondern er bettete seine Überlegungen in eine Analyse der spezifischen institutionellen und disziplinarischen Kontexte und Praktiken ein. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine`s College in Cambridge.

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John Rawls repräsentiert den neuen Liberalismus

Für den neueren Liberalismus dürfte John Rawls mit seiner „Theory of Justice“ (1971) der herausragende Repräsentant sein. An der unangefochtenen Spitze seiner berühmten Prinzipien der Gerechtigkeit steht eine Variante von Immanuel Kants einschlägigem Prinzip. Otfried Höffe erklärt: „Danach hat jeder das gleiche Recht auf das umfangreichste Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben Recht aller anderen verträglich ist.“ Dieses Prinzip spricht sich sowohl für die liberalen Freiheitsrechte als auch die demokratischen Mitwirkungsrechte aus. In einem zweiten Prinzip wird es um ein hohes Maß an Sozialstaatlichkeit erweitert. Denn es erlaubt zwar wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten, aber ist nur unter den Bedingungen fairer Chancengleichheit. Um Gerechtigkeit zu garantieren, muss eine zweiten Bedingung hinzukommen. Die entsprechende Wirtschafts- und Sozialordnung soll auch den Schlechtestgestellten zugutekommen. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Viele halten die Religion für etwas Besonderes

Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte hatten die Menschen das Gefühl, dass Religion und freie Meinungsäußerung in einem Spannungsverhältnis standen. Und dem größten Teil der Menschheit geht das auch heute noch so. Timothy Garton Ash weiß: „Bei den Kämpfen um die Meinungsfreiheit in Europa und Nordamerika des 17. und 18. Jahrhunderts war ein zentrales Anliegen die Freiheit, verschiedene Religionen predigen und praktizieren zu können.“ Erstaunlicherweise stehen bei vielen europäischen Ländern immer noch Blasphemievergehen im Strafgesetzbuch. Allerdings ahndet man sie nur selten. In Russland und Polen verurteilt man freilich Menschen wegen der „Verletzung religiöser Gefühle“. Irland führte im Jahr 2009 den Strafbestand der blasphemischen Verunglimpfung wieder ein. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Johannes Kepler entdeckt die Umlaufbahn des Mars

Mit seinem ersten Gesetz zerstörte Johannes Kepler die alte Überzeugung, wonach die Himmelskörper einer einheitlichen Kreisbewegung folgen. Denn er konnte belegen, dass die Planeten die Sonne mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf Ellipsenbahnen umkreisen. Zudem hatte Johannes Kepler die tatsächliche Umlaufbahn entdeckt, auf der sich der Mars durch den Weltraum bewegt. Maria Popova ergänzt: „Anschließend benutzte er die Mars-Daten, um die Umlaufbahn der Erde zu bestimmen.“ Mit Hilfe der Trigonometrie berechnete er den Abstand zwischen Erde und Mars. Er lokalisierte den Mittelpunkt der Erdumlaufbahn und zeigte, dass sich auch alle anderen Planeten auf elliptischen Bahnen bewegten. Johannes Kepler veröffentlichte diese bahnbrechenden Ergebnisse in seinem Buch „Astronomia Nova“. Die Bulgarin Maria Popova ist eine in den USA wohnhafte Autorin, Intellektuelle und Kritikerin. Sie ist bekannt als Gründerin der Online-Plattform Brain Pickings.

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Der Mensch versucht seine Ursprünge zu ergründen

Was ist der Mensch? Was macht ihn aus? Woher kommt er? Was unterscheidet ihn vom Tier? Wie geht es weiter mit ihm? Der Mensch als einziges Wesen unter den Tieren versucht seit Langem, seine eigenen Ursprünge zu ergründen. Matthias Glaubrecht stellt fest: „Bereits das macht uns zu etwas Besonderen in der Evolution. Religion und Philosophie geben ihre je eigenen Antworten nach unserm Wesen und Werden.“ Die Menschen stellen sich diese eingangs formulierten Fragen, weil sie verstehen wollen, welchen Platz sie in der Natur einnehmen und in welchem Verhältnis sie zu anderen Lebewesen stehen. Wenn die Menschen wissen, woher sie kommen, verstehen sie besser, welche Rolle Natur und Umwelt für sie wirklich spielen und welche Rolle ihnen darin zukommt. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Das Mitternachtslied übt eine enorme Sogkraft aus

Konrad Paul Liessmann holt in seinem Buch „Alle Lust will Ewigkeit“ die zentralen Fragen aus Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ in die Gegenwart. Der deutsche Philosoph verfasste das vierteilige Werk zwischen 1882 und 1885. Die Figur des Zarathustra erscheint nicht nur als Verkünder großer Wahrheiten. Sondern sie agiert auch als Philosoph, der sich radikal einer skeptischen Selbstvergewisserung aussetzt. Zarathustras zentrale Erkenntnisse sind seine Lehren vom Übermenschen und von der ewigen Wiederkunft des Gleichen. Sie stoßen allerdings bei den Menschen auf taube Ohren. Konrad Paul Liessmann widmet jeder Zeile des „Mitternachtsliedes“ ein Kapitel. Dabei überlässt er sich der Sogkraft dieser Verse, die gerade in ihrer Schlichtheit raffiniert, in ihrer Redundanz unvergleichlich und in ihrer Zerbrechlichkeit voller Kraft sind. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Jeder Mensch kann Schönheit wahrnehmen

Die Suche nach Schönheit kennt Wege der Übung. Wer von einem Lob der Meisterschaft ausgeht, für den liegt es nahe, die buddhistische Tradition zu betrachten. Einige ihrer Aspekte haben großen Einfluss auf die Fähigkeit, Schönheit wahrzunehmen und zu schaffen. Frank Berzbach nennt ein Beispiel: „Geradezu ein Trend wurde ein isolierter Aspekt des Edlen achtfachen Pfades.“ Im Pali-Kanon findet sich der Begriff „sati“, und meist wird er mit Achtsamkeit übersetzt. Gewahrsein, Umsicht, Bewusstheit oder Wachheit bezeichnen ihn aber besser. Damit ist weder Wellness noch Entspannung gemeint. Man versteht darunter, die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit wertfrei im gegenwärtigen Moment zu halten. Zugleich darf man allerdings nicht die eigenen Gedanken, Gefühle und den Körper aus dem Blick verlieren. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

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