Jeder Mensch kann Schönheit wahrnehmen

Die Suche nach Schönheit kennt Wege der Übung. Wer von einem Lob der Meisterschaft ausgeht, für den liegt es nahe, die buddhistische Tradition zu betrachten. Einige ihrer Aspekte haben großen Einfluss auf die Fähigkeit, Schönheit wahrzunehmen und zu schaffen. Frank Berzbach nennt ein Beispiel: „Geradezu ein Trend wurde ein isolierter Aspekt des Edlen achtfachen Pfades.“ Im Pali-Kanon findet sich der Begriff „sati“, und meist wird er mit Achtsamkeit übersetzt. Gewahrsein, Umsicht, Bewusstheit oder Wachheit bezeichnen ihn aber besser. Damit ist weder Wellness noch Entspannung gemeint. Man versteht darunter, die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit wertfrei im gegenwärtigen Moment zu halten. Zugleich darf man allerdings nicht die eigenen Gedanken, Gefühle und den Körper aus dem Blick verlieren. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

Achtsamkeit sorgt für Stille von Körper und Gedanken

Schon allein das Wahrgenommene nicht zu bewerten, erforderte einiges an Übung. Und während einer konzentrierten Handlung sich selbst beobachten zu können, erfordert lange Übung. Wer achtsam sein will, der erkundet, ja studiert sich intensiv selbst. Welche Gefühle und Gedanken kommen auf, wie damit umgehen, wie gelassen bleiben, wie vorschnelle Urteile vermeiden? Dahinter steht die Annahme, dass der Mensch weder seine Gedanken zuverlässig steuern kann noch seine Gefühlsmuster selbst erschaffen. Sie entstehen über die Sozialisation hinweg.

Frank Berzbach erläutert: „Die Idee der Achtsamkeit verweist auf die Einsicht, dass sich die Welt da draußen von der Welt in unserem Kopf sehr deutlich unterscheidet.“ Die Übung der Achtsamkeit, vor allem über die traditionelle Meditation der Geistesruhe erzeugt eine gewisse Stille von Körper und Gedanken. Und eben dieser „stille Punkt“ spendet in der Vorstellung zen-buddhistischen Denkens eine Kraft, die Kreativität hervorbringt. Achtsam ausgeführte Tätigkeiten und achtsame Wahrnehmungen sind ungetrübt von destruktiver Emotion.

Ängstliche Menschen starren ständig auf ihr Smartphone

Schaut man die Hektik der Großstädte und das Elend in der Welt an, dann entsteht leicht der Eindruck, es herrschten schlechte Zeiten für die Schönheit. Für Frank Berzbach ist die Hässlichkeit der Welt vielmehr eine Aufforderung, sie schöner zu machen. Wenn sie überhaupt so hässlich oder so schön ist, wie die Medien sie zeigen. Die digitalen Medien selbst dienen zu oft als Sündenbock, um Zerstreutheit und Vulgarität des Alltags zu rechtfertigen.

Buddha hatte kein Smartphone und dennoch thematisierte er all die Unruhe, die auch heute noch die Menschen quält. Wer ständig auf sein Smartphone schaut, der ist auf der Flucht. Er will sich ständig aus der Situation katapultieren, in der er gerade steckt. Nicht das technische Gerät ist dabei das Problem, sondern seine Ängste. Vielleicht lässt sich vom asiatischen Denken lernen, dass Gedanken und Gefühle von ihrer Natur her unruhig und aufwühlend sind. Jeder Mensch hat aber die Möglichkeit, dies durch Übung zu ändern. Quelle: „Die Form der Schönheit“ von Frank Berzbach

Von Hans Klumbies