Viele Menschen wollen ihr eigener Herr sein

Jonathan Aldred weiß: „Echte Freiheit erfordert mehr als die oberflächliche Möglichkeit, sich entscheiden zu können.“ Der Philosoph Isaiah Berlin hat eine klassische moderne Analyse von Freiheit verfasst. Er wies unter anderem darauf hin, wie totalitäre Regime Freiheit mit einer vorgetäuschten Entscheidungsfreiheit gleichsetzen. Er argumentierte: „Ich kann nicht frei handeln, wenn ich in einem totalitären Staat unter der Androhung von Folter einen Freund verrate.“ Aber natürlich hat der Bedrohte eine Entscheidung getroffen. Also reicht die bloße Existenz von Alternativen nicht aus, um sein Verhalten wirklich frei zu machen. Die „positive“ Bedeutung des Wortes „Freiheit“ leitet sich für Isaiah Berlin aus dem Wunsch des Individuums ab, sein eigener Herr zu sein. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Es gibt menschliche Ideale von Freiheit und Autonomie

Viele Menschen möchten, dass sie ihr Leben und ihre Entscheidungen selbst bestimmen. Diese wollen nicht von externen Faktoren abhängig sein. Sie wollen ein Jemand sein, ein Handelnder, der selbst entscheidet. Sie möchten kein Niemand sein, über den andere entscheiden. Dazu kommt die Selbstbestimmtheit, die den Spielball der Naturgewalten oder anderer Menschen ausschließt. Vor allem möchten sie in ihrem eigenen Bewusstsein ein denkendes, wollendes und aktives Wesen sein.

Sie wollen für ihre Entscheidungen verantwortlich sein und sie unter Bezug auf ihre eigenen Ideen und Ziele erklären können. Es gibt ein Bild des Menschen, das aus der konventionellen ökonomischen Theorie der Motivation entsteht. Dieses missachtet jedoch die menschlichen Ideale von Freiheit und Autonomie. Jonathan Aldred stellt fest: „Da ich auf vorhersehbare Weise durch Anreize manipuliert werden kann, lässt sich nicht behaupten, meine Entscheidungen würden nur von mir selbst bestimmt, nicht von externen Faktoren.“

Korruption kann sehr gefährlich sein

Demnach können Anreizsysteme durchaus so funktionieren, wie ihre Erfinder es beabsichtigen. Dabei kommt es zu keiner Verdrängung der intrinsischen Motivation. Und dennoch können sie moralisch falsch sein, wenn sie mit den menschlichen Idealen von Freiheit und Autonomie kollidieren. Anreize können Menschen auch korrumpieren. Sie können sowohl die Person, die den Anreiz anbietet, als auch den Empfänger korrumpieren. Schon William Shakespeare hat erkannt, wie gefährlich Korruption sein kann – und wie weit manche Menschen gehen, um ihr zu widerstehen.

Natürlich wirken finanzielle Anreize nicht immer korrumpierend. Aber manchmal untergraben sie das Gegenteil von Korrumpierung – die Entwicklung eines guten Charakters. Dies ist keineswegs nur die Sorge von nicht ausgelasteten Philosophen. Eines der wichtigsten Ziele einer Schulbildung besteht darin, bei jungen Menschen einen guten Charakter zu entwickeln. Jonathan Aldred erklärt: „Wir wollen nicht nur, dass Schüler das Richtige tun, sondern auch aus den richtigen Gründen. Wir wollen Kinder zu Selbstdisziplin erziehen, zu der Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen.“ Quelle: „Der korrumpierte Mensch“ von Jonathan Aldred

Von Hans Klumbies