Nichts ist für den Philosophen Konrad Paul Liessmann so verführerisch wie die Verführung: „Das Lockende und Verlockende, die Andeutungen und Versprechungen, die Eröffnung von bisher ungeahnten Möglichkeiten, das Verlassen eines sicheren Bodens, das Umgehen des Gewohnten, das Faszinosum des Neuen: Wer wollte dem widerstehen?“ Im Paradies muss es schön gewesen sein, so war es wohl. Am Anfang war die Schönheit, aber diese führte zu Wut, Trauer und Neid. Und der Schöpfer des Menschen ähnelte weniger einem Gott in seiner Machtvollkommenheit als einem Bastler. Dieser probiert einiges aus, um bei einem Produkt zu landen, das er nach kurzer Zeit wieder entsorgen muss. Die Erzählung vom Paradies ist von Anbeginn an eine Geschichte des Aufbegehrens und der Vertreibungen. Die Schöpfung in ihrer Schönheit provoziert den Widerstand desjenigen, dessen Licht diese Schönheit sichtbar macht, ohne selbst daran Anteil nehmen zu können.
Der Mensch war ursprünglich nahezu gottgleich
Konrad Paul Liessmann erklärt: „In Luzifer vollzieht sich das Drama des Mediums, jener Instanz, die etwas ermöglicht, ohne gemeint zu sein.“ Die Erzählung vom Anfang der Welt ist aber auch eine Geschichte von Ordnungen, von Hierarchien. Die eigentliche Dimension der des Mythos vom Paradies erschließt sich allerdings erst durch das Schicksal, das der Mensch in diesem Garten Eden erleidet. Der Mythos erzählt, dass der Mensch ursprünglich nahezu gottgleich war, um dann ein wenig reduziert zu werden, damit nicht Chaos und Verwirrung ausbrächen.
Der Ehrgeiz, Dinge zu machen, die ihrem Schöpfer gleichen, ja diesen sogar übertreffen, ist gefährlich. Um den kleiner gemachten Adam dennoch im Paradies einen Vorrang einzuräumen, muss Gott zu dem einen oder anderen Trick greifen. Konrad Paul Liessmann erläutert: „Dass dies bei der Verleihung von Namen an die Tiere geschieht, kommt nicht von ungefähr: Etwas zu benennen, ein Wort, einen Begriff für eine Sache zu finden, markiert nicht nur einen Herrschaftsanspruch, sondern garantiert auch Ordnung und damit Orientierung.“
Durch den Sündenfall wird der Mensch zum Menschen
Erst jetzt weiß Adam, wo er sich befindet und mit wem er lebt. Und deshalb weiß er auch, dass er allein ist. Mit der Gefährtin, die Gott ihm gibt und durch die er zu einem sozialen Wesen wird, verliert er seine Einzigartigkeit und – seine Unsterblichkeit. Die Deutungen des Paradieses ranken sich um jenen Akt, durch den der Mensch zum Menschen wurde. Die Sprache der Theologie nennt dies den Sündenfall. Aber was heißt Sündenfall? Heißt Menschsein eben nicht, vom Baum der Erkenntnis essen zu müssen? Wären die Menschen ohne diesen Genuss und das damit gewonnene Selbstbewusstsein nicht Tiere geblieben?
Tatsächlich ist es dieses Verbot, Früchte vom Baum der Erkenntnis zu essen, das alles anders macht. Das Leben im Paradies lässt sich, nachdem dieses Verbot ausgesprochen worden war, nun nicht mehr einfach leben. Es kreist um einen kritischen Punkt, kehrt immer wieder zu diesem zurück. Es gibt etwas, was man tun könnte, aber nicht tun sollte. Das Verbot zwingt zu einer Entscheidung: gehorchen oder übertreten. Konrad Paul Liessmann fügt hinzu: „Das Verbot erzeugt so ein widersprüchliches Gefühl: Angst und Neugier. Angst, weil die Folgen des Handelns im Unbekannten liegen, Neugier, weil man dieses Unbekannte aufdecken will. Quelle: „Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam? Von Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann
Von Hans Klumbies