Der Mensch denkt in Begriffen

Es ist berechtigt und sogar zielführend, vom menschlichen Denken auszugehen und sich von dieser relativ sicheren Position aus den Leistungen von Tieren zu nähern. Schließlich wissen Mensch sowohl aus der Ich-Perspektive als auch durch die Du-Perspektive der gegenseitigen sprachlichen Vermittlung, wie sie bestimmte Entscheidungen treffen. Und sie erkennen dadurch die Motive ihres Handelns, welche Ziele sie verfolgen und wie sich dabei fühlen. Ludwig Huber erläutert: „Dieser Erlebens-Aspekt ist von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus nehmen wir als Wissenschaftler auch noch die Perspektive der Person ein. So machen wir menschliches Denken und Handeln zu einem objektiven Untersuchungsgegenstand.“ Ein zentraler Aspekt menschlichen Denkens ist die Begriffsbildung. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Ohne Begriffe gibt es kein Denken

Manche Philosophen, wie etwa wie Donald Davidson, meinen, dass es ohne Begriffe kein Denken gibt. Und tatsächlich scheint es so, ob Menschen nun sprechen oder nicht, dass sie in Begriffen oder allgemeiner in Konzepten denken. Ludwig Huber weiß: „Zunächst sind Begriff kondensierte – mentale – Repräsentationen der Wirklichkeit. Das sind Konzepte in dem Sinn, dass sie einerseits Abstraktionen sind. Das heißt, Details, Zufälligkeiten oder situationsbedingte Willkürlichkeiten werden ausgeblendet.“

Andererseits sind die Konzepte Zusammenfassungen der typischen Eigenschaften und ermöglichen damit Verallgemeinerungen. Eine wesentliche Funktion solcher Konzepte ist die Kategorisierung. Also die schnelle Einordnung von Objekten oder Ereignissen in die eigenen mentalen Ordnungsstrukturen. Grundlegend ist die Fähigkeit, ähnliche, aber nicht identische Dinge aufgrund der gemeinsamen Merkmale als irgendwie gleichwertig zu behandeln, indem man sie in die gleichen Kategorien einordnet und auf sie in der gleichen Art und Weise reagiert. Menschen belegen diese Konzepte oder Begriffe mit sprachlichen Markern oder Etiketten.

Der Löwe hat eine mentales Bild von einem Gnu

Dies geschieht mit Bezeichnungen mit Wörtern oder Symbolen, ein Vorgang, den man als Benennung bezeichnet. Einen Begriff kann man durch mehrere Benennungen repräsentieren, sowohl durch Wörter in verschiedenen Sprachen als auch in einer Sprache durch Synonyme. Entscheidend ist dabei aber, dass die Fähigkeit der Konzeptbildung und Kategorisierung nicht von der Sprache abhängt und auch nicht mit oder sogar durch die Sprache entstanden ist.

Philosophen haben unterschiedliche Theorien entwickelt, um die Entstehung von Begriffen vor der menschlichen Sprache zu erklären. Man kann sich zunächst fragen, ob ein Löwe einen Begriff von/für Gnus hat. Unzweifelhaft reagiert er sehr genau und sehr zielführend auf den Anblick eines Gnus. Offenbar hat ein Löwe eine Art Vorstellung, quasi ein mentales Bild, von diesem Zielobjekt. Kognitionswissenschaftler sprechen in diesem Fall gerne von „mentalen Repräsentationen“. Dabei ist nicht nur der Inhalt des Gnu-Begriffs eines Löwen variabel, sondern auch seine Verwendung. Quelle: „Das rationale Tier“ von Ludwig Huber

Von Hans Klumbies