Auch künftige Menschen wollen gut leben

Künftige Menschen zählen. Es kann möglicherweise sehr viele von ihnen geben. Und die heute lebenden Menschen können einen Beitrag dazu leisten, dass sie gut leben. William MacAskill erläutert: „Das ist in aller Kürze ein Plädoyer für langfristiges Denken. Die Prämissen sind einfach und nicht besonders strittig. Doch wenn wir sie ernst nehmen, wäre das nicht weniger als eine moralische Revolution.“ Das hätte weitreichende Folgen für das Denken und Handeln von Aktivisten, Forschenden, Politikern, eigentlich für alle Menschen. Künftige Menschen zählen, doch man rechnet sie nur selten mit ein. Sie können nicht wählen und haben keine Lobby. Deshalb haben Politiker keinen Anreiz, sie mit einzubeziehen. Ebenso wenig sind sie auf dem Markt anzutreffen, und deshalb können sie auch nicht mit den heute lebenden Menschen verhandeln. William MacAskill ist außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Oxford.

Es herrscht eine Tyrannei der Gegenwart über die Zukunft

Und sie sind nicht in der Lage, ihren Interessen Gehör zu verschaffen. Sie können nicht twittern, keine Zeitungsartikel schreiben und nicht auf die Straße gehen. Sie sind rechtlos. William MacAskill blickt zurück: „Soziale Bewegungen der Vergangenheit, zum Beispiel die Bürgerrechts- oder die Frauenbewegung, hatten das Ziel, benachteiligte Gruppen innerhalb der Gesellschaft zu mehr Anerkennung und Einfluss zu verhelfen.“ Das langfristige Denken weitet diese Ideale aus.

Zwar kann man künftigen Menschen keine echte politische Mitsprache geben, doch sie zumindest mitdenken. Wenn man die Tyrannei der Gegenwart über die Zukunft überwindet, können die heute lebenden Menschen Treuhänder sein und zum Aufbau einer blühenden Welt für künftige Generationen beitragen. Das ist von größter Bedeutung. Dass künftige Menschen zählen, ist eigentlich selbstverständlich. Künftige Menschen sind schließlich Menschen. Sie werden auf dieser Erde leben.

Gedanken über die Umweltzerstörung sind mit der Zukunft verbunden

Die künftigen Menschen haben Hoffnungen und Ängste, Freuden und Sorgen, genau wie die heutigen Menschen. Der einzige Unterschied ist, dass sie noch nicht da sind. William MacAskill erklärt: „Mit der zeitlichen Entfernung verhält es sich ganz ähnlich wie mit der räumlichen. Menschen zählen, wenn sie viele Tausend Kilometer entfernt leben. Und genauso zählen sie, wenn sie viele Tausend Jahre entfernt leben. In beiden Fällen ist es einfach, sie für unwirklich zu halten, nur weil sie weit weg sind.“

Aber damit verwechselt man die Grenzen des menschlichen Horizonts mit den Grenzen der Welt. So wie die Welt nicht an der eigenen Haustür oder der Landesgrenze endet, so endet sie auch nicht mit der nächsten oder übernächsten Generation. All das sagt einem der gesunde Menschenverstand. Ein Weisheitsspruch lautet: „Eine Gesellschaft blüht auf, wenn alte Menschen Bäume pflanzen, in deren Schatten sie niemals sitzen werden.“ Und wer sich wegen des Klimawandels und der Umweltzerstörung Gedanken macht, tut dies auch nicht ausschließlich für die heute lebenden Menschen. Quelle: „Was wir der Zukunft schulden“ von William MacAskill

Von Hans Klumbies