Verantwortung verlangt nach Entscheidungen

Ina Schmidt erklärt: „Verantwortliches Handeln ist keine Selbstverständlichkeit. Es versteht sich nicht von selbst und bezieht sich auf verschiedene Ebenen des eigenen Tuns.“ In Situationen, in denen ein Mensch verantwortlich ist, muss er – aufgrund von Rolle, Zuständigkeit oder Kompetenz – in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen. Dazu gehört auch Gründe anzuführen und sich zu rechtfertigen gegenüber Institutionen, der Öffentlichkeit oder dem eigenen Umfeld. Man ist also in einer konkreten Situation immer verantwortlich für etwas oder jemanden oder gegenüber mindestens einem anderen. Jede Verantwortlichkeit lässt sich also als eine mindestens dreistellige Relation zum Ausdruck bringen. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.

Nicht jeder Grund kann ein guter sein

Jeden Tag erlebt man im eigenen Alltag genauso wie in Politik und Gesellschaft, dass sich verschiedene Ebenen im Ringen um Verantwortung vermischen. Sie werden dabei unklar und diffus. Der Anspruch einer eindeutigen Definition ist schwer zu erfüllen, wenn nicht ganz klar ist, wem welche Zuständigkeit, Rolle oder Kompetenz zuzuschreiben ist. Und welche Folgen welchen Handelns eigentlich die sind, die man für richtig hält oder zumindest wünscht. Oft zu schnell, unaufmerksam und intuitiv fällt man Urteile, kritisiert, ist empört oder nickt zustimmend.

Menschen treffen unbequeme Entscheidungen, nehmen Einschnitte vor, ziehen Grenzen oder müssen ganz konkret beispielsweise das Wohl ihrer Patienten im Auge behalten. Dabei können sie ebenso verantwortungsvoll wie verantwortungslos vorgehen. Es kann doch nicht jeder Grund ein guter sein, jedes Interesse oder jede Kompetenz die Möglichkeit verantwortlichen Handelns in sich tragen. Denn schließlich sind manche Handlungen und Haltungen vielleicht richtiger als andere.

Verantwortung sucht nach dem gültigen Guten

Ina Schmidt betont: „Nur wenn es grundsätzlich möglich ist, das Gute vom Schlechten zu trennen, ist es sinnvoll und notwendig, ein Verantwortungsbewusstsein auszuprägen.“ Dass es sich bei verantwortlichem Handeln um eine relationale Praxis handelt, heißt aber nicht, dass es sich nach Belieben drehen und wenden kann. Sondern es zeichnet sich durch den Bezug zu dem, was darin als das allgemein gültige Gute gilt, verbindlich aus. Verantwortlichkeit hat immer etwas damit zu tun, in der Unterschiedlichkeit der Kontexte ernsthaft nach der bestmöglichen Antwort auf eine Frage oder Handlungsaufforderung zu suchen.

Diese bestmögliche Antwort muss für andere nachvollziehbar sein. Der eigentliche Kern der Übernahme von Verantwortung hat mit der menschlichen Fähigkeit zu tun, sich von Gründen leiten zu lassen. Diese Gründe lassen sich ganz unterschiedlich herleiten, um die verschiedenen Relationen und Ebenen von Verantwortung abbilden zu können. Sie können rechtlich, moralisch, wissenschaftlich, politisch oder ganz persönlich sein. Und all diese Ebenen ziehen eigene Praktiken nach sich, vermischen sich und müssen pfadabhängig geklärt werden. Quelle: „Die Kraft der Verantwortung“ von Ina Schmidt

Von Hans Klumbies