Gerald Hüther erkundet den Begriff der Würde in der Philosophie

Sogar die griechischen Philosophen, so gern und oft zitiert, machten sich um die Würde weit weniger Gedanken, als man annehmen konnte. Wenn sie ein Wort hatten, das dem der „Würde“ ähnelte, dann war es das griechische „to axioma“, was „Ansehen“ bedeutete, „Machtstellung“, „Ehre“ oder „Wertschätzung“. Gerald Hüther stellt fest: „Aber all das waren veränderliche Merkmale, abhängig von anderen und den Umständen ausgeliefert. Die Würde als eine dem Menschen eigene und innewohnende Eigenschaft, unabhängig von den Zeitläufen und nicht jederzeit neu verhandelbar: Das war keine Vorstellung, von der sich die antiken Denker leiten ließen.“ Intensiver beschäftigten sie sich mit der Seele des Menschen, der Psyche, und zum Beispiel der Frage, um wie viel wertvoller diese gegenüber dem Körper sei. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.

Ein würdevoller Mensch erträgt das Unglück ebenso gelassen wie das Glück

Die Gedanken der griechischen Philosophen kreisten um Leib und Seele, Lust und Leid. „Was einer sucht, das hat er nicht“, meinte Platon im 4. Jahrhundert vor Christus. Geschichtskenner erwähnen den römischen Staatsmann Cicero als einen der Ersten, der von „Würde“ sprach. In seiner Schrift über das rechte Handeln schreibt er von einer „erhabenen Stellung“, einer „überlegenen Stellung und Würde“, die das Wesen des Menschen charakterisiere. Dieser habe die Möglichkeit, das Gute und Richtige zu erkennen; der Geist des Menschen nähre sich durch Lernen und Denken.

Der kluge Mensch „erforsche und treibe immer irgendwas und lässt sich durch Freude am Sehen und Hören leiten“. Das lateinische Wort „dignitas“ wurde von den Römern eher mit dem Wort „excellentia“ verbunden. Und diese Exzellenz bezog sich meist auf ein Amt, woraus sich später der Begriff in „Amt und Würden“ entwickelte. Würdevoll also war, wer gesellschaftlich anerkannt wurde, eine gewisse Stellung hatte, einen Posten bekleidete. Der das Unglück ebenso gelassen ertrug wie das Glück und nicht zu schnell und zu laut redete, eines gemächlichen Ganges mächtig, wie die Stoiker meinten.

Würde war etwas für die Großen und Reichen

Wenn es damals so etwas wie eine Vorstellung von Würde gab, dann definierte sich diese vor allem darüber, welche Wertschätzung andere einem entgegenbrachten. Würde war, so gesehen, eher etwas für die Großen und Reichen, weniger für die Kleinen und Armen. Die hatten zu buckeln vor den Würdenträgern. Und waren eben nichtswürdig, wenn sie nicht zu den Freien zählten. Ein Sklave, dem sein eigener Körper nicht gehörte, galt im römischen Recht nicht als Person. In Ciceros Verständnis war die Würde eher ein Begriff wie aus einem Erziehungsratgeber.

Laut Cicero solle der Mensch maßvoll und beherrscht sein, sparsam und enthaltsam, ein strenges und nüchternes Leben führen – so schrieb er es in „De officiis“, seiner Schrift über die Pflichten, als Brief verfasst und offenbar auch als Mahnung an seinen Sohn Marcus, der in Athen studierte. Ein anderer Sohn war es, der die Geschichte auch der Würde revolutionieren sollte: der Sohn Gottes, als Mensch „ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes“ erschaffen, so steht es in der Heiligen Schrift. Der Mensch als Gottes Ebenbild, gottgleich also und anbetungswürdig. Quelle: „Würde“ von Gerald Hüther

Von Hans Klumbies