Epikur sieht das höchste für den Menschen erreichbare Glück in der Lust, das größte Übel im Schmerz. Paul Kirchhof erklärt: „Lust meint dabei nicht Ungehemmtheit, nicht Prassen und Völlerei, sondern Schmerzlosigkeit, den Zustand vollkommener seelischer Ausgeglichenheit.“ Diese wird nicht in der Abgeschiedenheit, sondern in der Gemeinschaft des philosophischen Gesprächs erreicht. Epikur schreibt: „Philosophie ist die Tätigkeit, die durch Argumentation und Diskussion das glückselige Leben schafft.“ Der Gelassene führt ein maßvolles, asketisches Leben mit Freunden und gewinnt so Geborgenheit und Sicherheit sowie innere Ruhe. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.
Epikurs Lehren befreien von Ängsten und Vorurteilen
Herkömmliche Vorstellungen von Glück, die auf Güter wie Ansehen, politische Ämter, Besitz und Reichtum hoffen, führen nur zur Unruhe und stören die Ausgeglichenheit. Der Philosoph heilt den Menschen von seinen Leidenschaften. Epikur sagt: „Wie auch die Medizin keinen Nutzen hat, wenn sie nicht die Krankheiten aus dem Körper verbannt, so hat auch die Philosophie keinerlei Nutzen, wenn sie nicht die Leidenschaft aus der Seele vertreibt.“ Die Menschen der damaligen Zeit waren vor allem beunruhigt von Naturerscheinungen wie Donner und Blitz, Vulkanausbrüchen und Überschwemmungen.
Diese riefen Ängste hervor und hatten geheimnisvolle Deutungen und Andeutungen zur Folge. Hier lehrt Epikur, dass alle Naturerscheinungen auf natürliche Ursachen zurückgeführt werden könnten. Hinter diesem Geschehen stünden keine undurchschaubaren Mächte. Wer sich auf Epikurs Lehren einlässt, wird frei von Ängsten und Vorurteilen. Seine eigene Vernunft befreit. Vernunft, die Verantwortung in der Gemeinschaft und der Austausch untereinander bestimmen das Handeln.
Das höchste Glück liegt in der Gelassenheit
Auch die stoische Philosophie sieht das höchste Glück des Menschen in der Ruhe des Gemüts, also in der Gelassenheit. Paul Kirchhof erläutert: „Diese erreicht der Mensch dadurch, dass er im Einklang mit der vernünftigen Natur lebt.“ Der Mensch ist von der Vernunft geleitet, kann sich dank dieser Vernünftigkeit von allen Emotionen freimachen. So kann er seelische Ausgeglichenheit gewinnen. Er unterscheidet zwischen gut und schlecht, nicht zwischen vorteilhaften und nachteiligen Dingen.
Besitz, Macht und Ehre sind unwesentlich. Äußeren Einflüssen ausgesetzt, treiben deshalb denjenigen, der sich an diese Dinge klammert, in ständige Sorge, entfernen ihn von der Gelassenheit. Stoische Ruhe gewinnt der Mensch vor allem durch die logische Auseinandersetzung mit den äußeren Dingen, der den Menschen umgebenden Natur. Jede seelische Unruhe entstammt einem fehlerhaften Verständnis der Welt. Auch die Furcht vor dem Tod, das größte Übel, dass dem menschlichen Glück im Wege steht, lässt sich überwinden. Denn der Mensch löst sich nach dem Tode auf und wird wieder Teil der ihn umgebenden Natur. Quelle: „Beherzte Freiheit“ von Paul Kirchhof
Von Hans Klumbies