Angst ist in der Politik ein Tabu

Wenn Politiker über ihre Fehler sprechen, ist es ein bisschen so, wie wenn man Kandidaten im Bewerbungsgespräch nach ihren Schwächen fragt. Sie sagen irgendetwas, das so klingt wie eine Schwäche, aber in Wahrheit eine Stärke ist. Helene Bubrowski nennt Beispiele: „Ungeduld ist ein Klassiker oder: Ich bin so streng mit mir.“ Beliebt ist auch die Ausflucht in Koketterie. Angst ist in der Politik ein Tabu. Jeder Politiker trägt sie mit sich herum, aber man versteckt sie in der Handtasche, dem Aktenkoffer, Jutebeutel oder Rucksack. Wer würde schon einen Angsthasen wählen? Die meisten Politikberater geben die übliche Empfehlung, sich möglichst unangreifbar zu geben. Das hat auch einen Preis, den man nicht übersehen darf: Die Sprache wirkt seelenlos, sie kommt nicht mehr bei den Leuten an. Helene Bubrowski arbeitet als Politikkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Berliner Hauptstadtbüro.

Die Zwänge im politischen Betrieb sind gewaltig

Die Härten der Spitzenpolitik führen dazu, dass sich Politiker verpanzern. Dann dringen die Angriffe von außen nicht mehr ins Innerste. Kommunikationsberater, die ein solche Abhärtung empfehlen, haben natürlich einen Punkt: Selbstkritik wird von den Wählern selten belohnt und von den Gegnern oft instrumentalisiert. Helene Bubrowski weiß: „Wer zum ersten Mal einen Fehler zugibt, erregt damit noch Aufmerksamkeit, vielleicht sogar Respekt.“

Doch der Effekt nutzt sich schnell ab, bei der zweiten oder dritten Entschuldigung kann das Urteil schon lauten: Der oder die kann das nicht. Helene Bubrowskis Buch „Die Fehlbaren“ ist ein Plädoyer für Fehlerkultur in der Politik. Fehlerkultur ist für Politiker eine Herausforderung. Das kann nur bestreiten, wer die Zwänge des politischen Betriebs nicht kennt. Die Harvard-Professorin Barbara Kellermann hat die Komplexität auf eine treffende Formel gebracht: „Eine Entschuldigung zu verweigern, kann klug sein oder tödlich.“

Durch eine neue Fehlerkultur wird Politik besser

Barbara Kellermann fährt fort: „Umgekehrt kann auch die Bereitschaft zur Entschuldigung als Zeichen eines starken Charakters angesehen werden oder als Zeichen von Schwäche.“ Das erste, und wie Helene Bubrowski findet, schlagende Argument für eine neue Fehlerkultur ist ganz einfach: Politik wird dadurch besser. Wer nicht bereit ist, einen Fehler einzugestehen, ist auch nicht bereit, ihn zu beseitigen. Häufig sind politische Vorschläge unausgegoren, manchmal sogar die fertigen Gesetze.

Helene Bubrowski stellt fest: „Das hat längst nicht immer mit Schlampigkeit zu tun. Viele Prozesse sind wahnsinnig kompliziert, die Bedingungen ändern sich ständig, gerade in Krisenzeiten.“ Das Gebot der Stunde ist dann, Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Das ist die Stärke der Demokratie, denn da kann öffentliche Kritik Anstoß zu Veränderung geben. In autoritären Regimen unterlaufen dem Machthaber offiziell keine Fehler, deshalb können sie nur verschleiert und, wenn überhaupt, stillschweigend beseitigt werden. Quelle: „Die Fehlbaren“ von Helene Bobrowski

Von Hans Klumbies