Die Zeitrevolution im Haushalt findet nicht statt

Trotz des Einzugs moderner Technologien in die meisten Privathaushalte gibt es darin heute genauso viel zu tun wie vor fünfzig Jahren. Horst Opaschowski stellt fest: „Die Zeitrevolution im Haushalt findet nicht statt.“ Daran ändern auch nichts Smartphones, Haushaltsroboter und interaktive intelligente Kühlschränke. Im Vergleich zu früher tun die Frauen heute sogar mehr und dies in der gleichen Zeit. Dadurch ist alles hektischer geworden. Wenn heute mehr als früher gewaschen, gebügelt und eingekauft wird, dann hat dies Gründe, die mehr im gesellschaftlichen Bereich zu suchen sind. Denn die Familie erwartet mittlerweile ganz selbstverständlich emotionale Qualität. Daran ändert sich auch in naher Zukunft wenig. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

Überall ist eine Erhöhung der Standards feststellbar

Die Wirtschaft sagt zwar eine Revolutionierung der Haushaltstechnik voraus, weil diese sich angeblich noch in der Steinzeit befinde. In Zukunft solle alles anders werden und die aufgewendete Arbeit im Haushalt drastisch sinken. Hier wird die technologische Rechnung allerdings ohne die Menschen gemacht. Das Gegenteil ist der Fall: Die Arbeitszeit im Haushalt sinkt nicht, sondern nimmt durch höhere Anforderungen an die Qualität zu. Während früher beispielsweise der Handwerker mit einem einzelnen Gegenstand beschäftigt war, muss sich der moderne Mensch „vielteilen“.

Die Haushaltswissenschaften haben schon in den achtziger Jahren nachgewiesen: Die Arbeitsersparnis, die durch den Einsatz einer Waschmaschine möglich ist, gleicht sich durch einen exzessiven Wäscheverbrauch wieder aus. Viele Menschen waschen mehr und öfter als früher. Die Ansprüche der Menschen an die Sauberkeit ihrer Kleidung haben sich verändert. Auch bei der Ernährung und beim Wohnen ist eine Erhöhung der Standards feststellbar.

Die private Zeitökonomie gewinnt an Priorität

Die Technisierung der Hausarbeit hat zu einer Erhöhung des Anspruchsniveaus geführt, was letztlich Mehrarbeit bedeutet. Die technischen Geräte haben zudem Anforderungscharakter. Die Anschaffung von Saftpressen, Grill- und Mixgeräten muss sich auch lohnen. Also setzt man sie vermehrt ein. Horst Opaschowski blickt zurück: „Früher wurde eine Reihe von Haushaltsarbeiten zusammenhängend erledigt. Es gab einen Waschtag, den Bügeltag und den Putztag.“

Heute dagegen sind die festen Haushaltsrituale über die ganze Woche verteilt. So kann heute schnell mal eben zwischendurch gewaschen, staubgesaugt, gekocht werden. Auf diese Weise kommt es zu dem Paradoxon, dass die Menschen objektiv immer mehr Arbeit haben. Subjektiv wächst aber das Gefühl, nichts Richtiges geschafft zu haben. Mit der Zunahme von Doppelverdiener-Haushalten wissen sich die Berufstätigen zu helfen. Zur Rettung ihrer eigenen Freizeit schränken sie die notwendigen Alltagsarbeiten im Haus immer mehr ein. Sie kochen seltener, nicht mehr so aufwändig und begnügen sich mit Schellgerichten. Die private Zeitökonomie gewinnt an Bedeutung. Quelle: „Wissen, was wird“ von Horst Opaschowski

Von Hans Klumbies