Die Gleichsetzung von Technik und Glück ist eine Ideologie

Die glücklichsten Menschen der Welt leben nicht im Silicon Valley. Sie leben in Norwegen, gefolgt von Dänemark, Island und der Schweiz. Richard David Precht stellt fest: „Für ein Land, in dem die Zukunft gemacht wird, getreu dem Google-Motto „Do the right thing“, liegen die USA mit Rang vierzehn nicht allzu gut im Rennen.“ Tendenz seit zehn Jahren fallend. Der Weltglücksbericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2017 bescheinigt den Vereinigten Staaten sogar eine Fehlkonditionierung. Wer nur auf Wirtschaftszahlen schaue, der mache seine Gesellschaft unsolidarisch und misstrauisch. Zudem forciert dies die Korruption, den sozialen Unfrieden und die ethischen Konflikte. Dass die Technik dem Menschen im Laufe der Zivilisation viele gute Dienste geleistet hat, werden allerdings nur wenige bestreiten. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Als glücksmindernd gelten soziale Vereinzelung und Unsicherheit

Doch das Technik und Glück deshalb im Gleichschritt durch die Welt marschieren, ist eine sehr gewagte Behauptung. Singapur, der Sieger des Rankings der am meisten digitalisierten Länder der Welt, liegt im Glücksranking auf Rang sechsundzwanzig hinter Argentinien und Mexiko. Die radikale Gleichsetzung von Technik und Glück ist eine Ideologie. Denn sie ist eine einseitige Übertreibung des Menschenbilds und eine einseitige Interpretation der Geschichte. Nach Ansicht derjenigen, die den „World Happiness Report“ erstellen, liegt das Glück in der sozialen Fürsorge. Glücklich macht auch eine gute Gesundheit, die Freiheit, ein gesichertes Einkommen und eine gute Regierungsführung.

Zu den großen Beeinträchtigungen des Glücks zählen die Verantwortlichen des „World Happiness Reports die Arbeitslosigkeit. Unter den Spielregeln von Arbeits- und Leistungsgesellschaften nach kapitalistischer Ethik alter Schule nicht verwunderlich. Als ebenso glücksmindernd gelten allerdings auch schlechte Arbeitsbedingungen. Das Glück, das beispielsweise in China in den letzten fünfundzwanzig Jahren durch Technik und Komfort dazukam, frisst die soziale Vereinzelung und die Unsicherheit wieder auf.

Schon in der Antike waren die Wege zum Glück bekannt

Was zum Glück beiträgt – Achtsamkeit, Respekt, eine Kultur des Vertrauens, Selbstbestätigung, Selbstwirksamkeit, die Kunst, mit seinen Ansprüchen umzugehen, ein gutes Umfeld, Freunde usw. Dies alles ist seit den Tagen der antiken Griechen gut bekannt. Und um das Glück der Menschen zu mehren oder zu bewahren, braucht ein reiches Land wie Deutschland laut Richard David Precht kein weiteres materielles Wachstum. Die Prozente, in denen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst, sind nicht jene, die an Glück hinzukommen.

Das BIP muss nicht steigen, damit die Menschen glücklicher werden. Es muss steigen, um den Sozialstaat alter Machart zu finanzieren. Und es muss steigen, um eine wirtschaftliche Dynamik weiter voranzutreiben, die mehr Wohlstand verspricht, wenn auch längst nicht für alle, dazu mehr Energieverbrauch, mehr Ressourcenausbeutung, stetigen Klimawandel und mehr Müll. Jeder technische Fortschritt, was auch immer er an Annehmlichkeiten mit sich bringt, kürzt zugleich eine Dimension des Lebens heraus. Quelle: „Jäger, Hirten, Kritiker“ von Richard David Precht

Von Hans Klumbies