Die Idee der Technik entstand in Griechenland

Der Funktionalismus ist ein unglückliches Erbe der altgriechischen, von Platon und Aristoteles höchstpersönlich eingeführten Idee der Technik. Markus Gabriel erläutert: „Platon und Aristoteles bezeichnen diejenigen Funktionen, die zwei physikalisch verschiedene Dinge zu Dingen derselben Art machen, als Idee.“ Was man heute als Funktion bezeichnet, entspricht einer abgespeckten Version der platonisch-aristotelischen Idee. Aristoteles hat die Überlegung dahingehend konkretisiert, dass er den Begriff einer Funktion, eines telos, entwickelt hat. Er unterfüttert ihn mit der Lehre von den vier Ursachen. Die Technik ist heutzutage die Realisierung von Ideen, durch die man Dinge produziert, die nicht schon von Natur aus da waren. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Die Digitalisierung erzeugt neue Produkte

Die Technik ist von der Technologie zu unterscheiden. Eine Technologie ist eine Einstellung zur Herstellung technischer Artefakte. Technik ist der Vorgang der Herstellung von Werkzeugen zugunsten der Verbesserung der Lebensumstände. Technologie hingegen ist mehr als die Summe der zu einer bestimmten Zeit in Verwendung befindlichen Werkzeuge. Markus Gabriel erklärt: „Sie bezeichnet vielmehr unseren logos, also unsere Vorstellung davon, was Technik ist.“

Die Digitalisierung in der Gegenwart erzeugt nicht nur neue Produkte, sondern zugleich eine neue Einstellung ihnen gegenüber. Sie liefert nicht nur neue Dinge, sondern Ideen davon, wie Produkte zusammenhängen. Viele technologische Fortschritte bestehen darin, nicht nur eine Idee auf derselben Stufe zu realisieren, sondern einen Schritt weiterzugehen. Der revolutionäre Durchbruch des digitalen Zeitalters besteht genau darin, dass eine Technik erzeugt wurde, die Technologien verwaltet. Damit ist die Menschheit eine entscheidende Stufe über die bisherige Ordnung der Dinge hinausgegangen.

Das Internet übernimmt eine militärische Funktion

Die Technik liefert den Menschen heute Vorstellungen davon, was sie tun sollen und wer sie sein wollen. Sie entwickelt ihre eigene Technologie. Facebook ist ein Arrangement von Selbstporträts. Diese werden von Algorithmen durchforstet und auf Muster hin organisiert. Im Gegenzug werden den Usern Empfehlungen gemacht, Freundschaftsvorschläge, Werbung und so weiter. Auf diese Weise erlangen die technischen Produkte ein scheinbares Eigenleben, was zu den Spekulationen einer kommenden Superintelligenz verleitet.

In Wirklichkeit sind jedoch Softwareingenieure damit beschäftigt, die Algorithmen zu verwalten, die nicht nur die Wertsysteme der User intelligent erfassen, sondern vielmehr Handlungsspielräume und damit Wertesysteme vorgeben. Dies fällt dem Endnutzer in der Regel nur nicht auf. In seinem Buch „Totale Mobilmachung“ erklärt der italienische Philosoph Maurizio Ferraris die digitale Revolution dadurch, dass das Internet eine letztlich militärische Funktion übernimmt. Seines Erachtens entspringt die Digitalisierung dem militärischen Apparat und wird vor allem durch diesen vorangetrieben. Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies