Die Philosophen waren in der Antike sehr populär

Die griechische Welt der Antike war eine Börse der Ideen und ein Experimentierfeld der Politik. Man bekämpfte einander, fand sich zu Bündnissen zusammen, experimentierte mit bundesstaatlichen Modellen. Bernd Roeck weiß: „Kriege und innere Krisen, wie sie Athen in dichter Folge seit dem Tod des Perikles, 429 v. Chr., erlebte, wirkten sich keineswegs ungünstig auf das kulturelle Leben aus.“ Im Gegenteil vergrößerten Umbruch und Chaos den Markt für Philosophen, weil sie Orientierung versprachen und eine Erziehung anboten, die half, sich in einer komplizierten Gesellschaft durchzusetzen und Erfolg zu haben. Außerdem zeigte sich ein lernbegieriges Publikum bereit, Gelehrsamkeit und Rhetorik – wichtiges Handwerkszeug im politischen Geschäft – zu entgelten. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Einige Philosophen wie Platon wurden gleich Göttern verehrt

Einige Sophisten, für Geld redende und schreibende Gelehrte der Zeit zwischen 450 und 380 brachten es zu Reichtum. Der „Starredner“ Georgias aus Leontinoi, einer der Begründer der Rhetorik, meinte, Worte könnten geradezu physischen Zwang ausüben. Er soll dem Tempel von Delphi sein eigenes vergoldetes Bildnis gestiftet haben. Dass Marmorbüsten großer Philosophen wie Sokrates, Platon oder Aristoteles angefertigt wurden, belegt den hohen gesellschaftlichen Status, zu dem die Philosophie verhelfen konnte.

Bernd Roeck erläutert: „Auf die Popularität der Denker deuten zahllose Anekdoten hin. Manche Philosophen, so Pythagoras, Empedokles und später Platon, wurden gar gleich Göttern verehrt.“ Die Sophisten wandten die analytischen Methoden der ionischen Naturforschung auf die soziale Welt an. Ihre Kritik sparte nichts aus, nicht die Gesellschaft mit ihren Regeln und Sitten, nicht die Religion, nicht die Gewissheit menschlicher Erkenntnis überhaupt. Der negative Beiklang des Begriffs „Sophistik“, der an Spitzfindigkeit und Wortklauberei denken lässt, hat seinen positiven Grund in der philosophischen Kardinaltugend des Fragens und Kritisierens, das sich eben auch auf Nebenwegen verlieren oder im Uferlosen enden konnte.

Sokrates gilt als Begründer der praktischen Philosophie

Das Prinzip des kritischen Dialogs hat eine lange Vorgeschichte. Das Gespräch ist schließlich eine kulturübergreifende Form des Philosophierens. Die griechische Form pflegt Fragen und respektloses Infragestellen. Bernd Roeck erklärt: „Die Kunst der Kritik – und damit die Herstellung von Distanz zu den eigenen Denkgewohnheiten – bliebt dank der Griechen ein Signum der abendländischen Geistesgeschichte. Falsifikation und Widerspruch gegen die Alltagserfahrung machen Wissenschaft aus.“

Kritik war fortan, in Abwandlung eines Satzes von Heraklit, dem Philosophen der Gegensätzlichkeit, Vater aller Dinge. Am Anfang des philosophischen Dialogs der Griechen steht die moralische Instanz Sokrates (469 – 399 v. Chr.). Sein Schüler Platon (427 – 347 v. Chr.) verhalf den Gesprächen mit ihm zu Dauer. Sokrates wurde durch sein bohrendes Hinterfragen der eigenen Sittlichkeit, durch sein Leben und Sterben zum Begründer der praktischen Philosophie und einer Technik des Denkens und Argumentierens, die Epoche machte. Quelle: „Der Morgen der Welt“ von Bernd Roeck

Von Hans Klumbies