Technische Innovationen können zum Krieg führen

Martin Luther hat den aus der konfessionellen Spaltung Mitteleuropas entstandenen Dreißigjährigen Krieg nicht gewollt. Der Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, Johannes Gutenberg, wollte ihn ebenso wenig. Und doch hatte die Revolution im Druckwesen einen erheblichen Anteil an der politischen Mobilisierung. Deren Eskalation zum Krieg kostete ein Drittel der Bevölkerung Mitteleuropas das Leben. Andreas Barthelmess weiß: „Technologische Innovationen können zu gesellschaftlicher Polarisierung, zu dramatischen sozialen Umbrüchen führen, bis hin zum Krieg.“ Der griechische Philosoph Heraklit meinte sogar, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Andreas Barthelmess findet, das gibt dem Krieg zu viel der Ehre. Zwar gibt es Erfindungen, die ausdrücklich vom Militär bestellt wurden. Etwas die Konservendose, die auf eine Preisausschreibung Napoleon Bonapartes zurückgeht. Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.

Erfindungen lassen sich nicht ungeschehen machen

Als weiteres Beispiel nennt Andreas Barthelmess das unter der Naziherrschaft entwickelte Düsenflugzeug. Tatsächlich ist es aber umgekehrt häufig so, dass sich das Kriegswesen neue Erfindungen unter den Nagel reißt und für seine Zwecke nutzt. Dazu zählt etwa das von Alfred Nobel erfundene Dynamit. Alfred Nobel, zu Lebzeiten gelegentlich als „Kaufmann des Todes“ bezeichnet, stiftete die Nobelpreise. Dazu zählt auch der Friedensnobelpreis, ganz so, als wollte er damit den Geist, den er aus der Flasche gelassen hatte, wieder zurückholen.

Was gesagt ist, ist gesagt. Was entdeckt ist, ist entdeckt. Worte und Erfindungen lassen sich nicht zurücknehmen und ungeschehen machen. So eröffnet jede Erfindung neue Möglichkeiten der Entwicklung, die missbraucht oder aber zum Wohle der Menschen verwendet werden können. Der Buchdruck hatte nicht nur Einfluss auf den Religionskrieg in Europa, sondern auch unzählige positive Folgen für die Entwicklung der Menschheit. Ohne ihn hätte es in Europa keine Aufklärung und keinen Aufstieg der Naturwissenschaften gegeben.

Innovationen verleihen Macht

Erst der Buchdruck ermöglichte die Gewaltenteilung und einen modernen Staat. Auch die Schulpflicht und die Französische Revolution wären ohne ihn nicht möglich gewesen. Und auch die demokratische Republik auf deutschen Boden wäre ausgefallen. Dreierlei kann man aus dieser Erzählung von Geschichte lernen. Erstens: Wer die technologische Innovation hat, besitzt auch die Macht. Martin Luther hatte bei seiner Revolution gegen den Papst den technischen Fortschritt auf seiner Seite.

Zweitens: Wer die technologische Macht hat, kann sie zum Guten verwenden oder missbrauchen. Einen solchen Missbrauch gilt es zu verhindern. Das ist die Aufgabe der Politik. Und drittens: Der Fortschritt gehört anfangs nur wenigen. Man muss also die Vorteile, die er schafft, möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Das heißt, man muss den Fortschritt demokratisieren, seine ökonomischen Erträge eingeschlossen. Dies ist ebenfalls die Aufgabe der Politik, und das besonders dringlich im Falle technologischer Sprünge, wie sie gerade so dramatisch geschehn wie nie zuvor. Quelle: „Die große Zerstörung“ von Andreas Barthelmess

Von Hans Klumbies