Julian Baggini rät zu mehr Großzügigkeit gegenüber den Armen

Der australische Philosoph Peter Singer vertritt die Meinung, dass eigentlich die meisten Menschen zur Hilfe für Bedürftige verpflichtet sind und sehr viel mehr geben sollten, als sie dies gemeinhin tun. Sein englischer Kollege Julian Baggini teilt diese Ansicht: „Gemessen an der Tatsache, dass 50 Prozent der Menschen weltweit von weniger als 2,50 Dollar am Tag leben, gehören wir hier fast alle zu den reichsten Menschen der Welt, und die Mehrheit von uns könnte sehr viel mehr abgeben, als sie es tut und dennoch relativ reich sein und eine sehr angenehme Lebensqualität genießen.“ Der Philosoph Julian Baggini ist 1968 in Dover, Kent geboren. Er ist Mitbegründer und Herausgeber des „Philosopher`s Magazine“. Er schreibt regelmäßig für große Zeitungen und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Eines seiner Bücher trägt den Titel „Der Sinn des Lebens“ und ist 2005 im Piper Verlag erschienen. Sein neuestes Werk trägt den Titel „Ethik“ und ist im Verlag Springer Spektrum veröffentlicht worden.

Die reiche Welt hat gegenüber den Armen große Schuld auf sich geladen

Wenn sich Menschen überleben, ob sie mehr tun sollten, um den Armen dieser Welt zu helfen, könnte es laut Julian Baggini hilfreich sein, zwischen Verantwortung und Verpflichtung zu unterscheiden. Einige Argumente für großzügige Spenden weisen darauf hin, dass die reiche Welt am Missstand in den Entwicklungsländern große Schuld auf sich geladen habe und daher verpflichtet ist, ihre Verfehlungen wieder gutzumachen. Solche Argumente werden unterschiedlich aufgenommen. Bei manchen regt sich tatsächlich das schlechte Gewissen und sie spenden mehr.

Andere wiederum ärgern sich, ein „schlechtes Gewissen gemacht zu bekommen“. Diese zweite Gruppe will sich gefühlsmäßig nicht manipulieren lassen. Und schon gar nicht möchten sie zum Philanthropen werden. Julian Baggini rät: „Vom moralischen Standpunkt aus sollten wir uns allerdings nicht von dem Gefühl, das solche Argumente in uns auslösen, leiten lassen, wenn es darum geht zu entscheiden, wie wir es persönlich halten wollen.“ Einige Argumente versuchen eine Pflicht zur Hilfe festzustellen, ohne dabei zu sagen, dass die Reichen auf Verantwortung tragen für ein Problem, das sie im Grunde erst geschaffen haben.

Auf Luxus sollten die Menschen so weit wie möglich verzichten

Dieser Ansatz funktioniert auch für bestimmte Hilfssituationen, wo Unbeteiligten oder unschuldigen Dritten gleichwohl die Pflicht zum Einschreiten zufällt. Peter Singer nennt ein Beispiel: „Sie kommen an einem Teich vorbei und sehen, dass ein kleines Kind hineingefallen ist und zu ertrinken droht.“ Hier muss die einzig angemessene Handlung die sein, das ertrinkende Kind zu retten. Und zwar nicht, weil der Retter für die lebensbedrohende Situation verantwortlich wäre, sondern weil der Wert des Lebens ein so hoher Maßstab ist, dass es ungeheuerlich wäre, ein Leben nicht zu retten, wenn man dies zu solch geringen Kosten tun könnte.

Der Utilitarismus verlangt, dass die Nutzen wie Wohlfahrt, Glück oder was sonst als das höchste Gut gilt, die ein Einzelner erfährt, gleich viel zählen, egal wessen Nutzen es ist. Julian Baggini konkretisiert dies an einem Beispiel: „Hat man drei Euro in der Hand und die Wahl, sich davon ein Eis zu kaufen oder sie für lebensrettende Medikamente in den Entwicklungsländern auszugeben, so scheint es unbestreitbar, dass die Medikamente den Nutzen sehr viel effizienter steigern.“ Dasselbe gilt auch für eine schicke Hose oder eine Flasche guten Wein. Kurzum für so ziemlich alles, was eine Person kauft, ohne das es für ihr Überleben unbedingt notwendig wäre. Prinzipiell sollte man daher ohne jeglichen Luxus leben.

 Von Hans Klumbies