Nicht jede Gleichförmigkeit ist schädlich

Einige Formen des Andersseins sind zu begrüßen, andere dagegen nicht. Es ist nicht im Mindesten irrational, gelegentlich Furcht vor dem anderen zu haben. Vielleicht muss man erst einmal feststellen, ob seine Absichten freundlich oder feindlich sind. Terry Eagleton weiß: „Nur sentimentale Schwärmer meinen, man müsse Fremde immer in die Arme schließen. Einige dieser Fremden kennt man unter der Bezeichnung Kolonialisten.“ Die meisten Kulturtheoretiker glauben nicht nur an eine Pluralität der Lebensweisen, sondern auch daran, dass diese sich hybrid mischen müssten. In ethnischen Fragen wäre Hybridität sicherlich ein Vorteil, aber das trifft nicht überall zu. Nicht alle Gleichförmigkeit ist schädlich. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

Manchmal braucht man Einstimmigkeit

Genauso wenig kann man alle Einheit, jeden Konsens als „essentialistisch“ dämonisieren. Im Gegenteil, manchmal kann man erheblich mehr davon gebrauchen. Natürlich sind die Menschen unterschiedlich, aber es wäre sehr hilfreich, wenn sie trotz ihrer Unterschiede alle für die Abschaffung der Kinderprostitution einträten und die Enthauptung von unschuldigen Zivilisten im Namen Allahs nicht für den sichersten Weg nach Utopia hielten. In solchen Fällen braucht man Einstimmigkeit, nicht Vielfalt.

Terry Eagleton schreibt: „Ein englisches Sprichwort, das nicht wahrer ist als viele andere, besagt, dass die Welt komischer wäre, wenn wir alle gleich dächten. Sicherlich wäre die Welt etwas langweiliger, wenn alle gegen die Todesstrafe wären, aber das wäre ein geringer Preis, wenn dafür die Zahl unnötiger Leichen verringert würde.“ Solidarität bedeutet nicht zwangsläufig die Aufhebung der Unterschiede. Einige Unterschiede sollten allerdings schon aufgehoben werden – die materielle Ungleichheit zwischen Bettlern und Bankern zum Beispiel.

Minderheiten dürfen nicht vorbehaltlos akzeptiert werden

Verschiedene Standpunkte sind nicht einfach deshalb zu schätzen, weil sie verschiedene Standpunkte sind. Eine Meinung ist nicht einfach deshalb zu respektieren, weil jemand sie vertritt. Wahrscheinlich wird jeder mehr oder weniger widerwärtige Standpunkt, den man sich ausdenken kann, irgendwo vertreten. Im Prinzip ist nicht das Geringste gegen Exklusivität einzuwenden. Frauen das Autofahren zu verbieten ist ein Skandal, Neonazis den Zugang zu Lehrberufen zu verwehren, nicht. Genauso wenig sind alle Minderheiten vorbehaltlos zu akzeptieren. Die herrschende Klasse ist zum Beispiel eine solche Minderheit.

Eine unkritische Bejahung von Randgruppen und Minderheiten geht meist Hand in Hand mit einem Verdacht gegen Konsens und Mehrheiten. Terry Eagleton erläutert: „Das liegt daran, dass die Postmoderne zu jung ist, um sich an eine Zeit zu erinnern, als politische Massenbewegungen den Staat heftiger erschütterten, als es bislang irgendeiner Randgruppe oder Minderheit auch nur annähernd gelungen ist.“ Die Postmoderne ist sich nicht recht bewusst, wie weitgehend ihre politischen Auffassungen von ihrer eigenen politischen Geschichte geprägt sind, oder vielmehr dem Mangel an ihr. Quelle: „Kultur“ von Terry Eagleton

Von Hans Klumbies