Rüdiger Maas beschreibt eine lebensunfähige Generation

Rüdiger Maas weist in seinem neuen Buch „Generation lebensunfähig“ darauf hin, dass jedes vierte Kind in Deutschland unglücklich ist. Rund 25 Prozent der Kinder haben Schwierigkeiten, Freunde zu finden und berichten von depressiven Symptomen. Während der Coronapandemie wurde die Misere noch verschärft. Rüdiger Maas schreibt: „Betrachtet man den Online- und Social-Media-Konsum während der Coronapandemie von Kindern und Jugendlichen, kann man nur staunen. Jugendliche waren während der Pandemie durchschnittlich 70,4 Stunden pro Woche online.“ Oder in anderen Worten: 42 Prozent ihres Tages verbringen Jugendliche in der Online-Welt. Jüngere können sich mittlerweile eine Welt ohne Internet und Smartphone gar nicht mehr vorstellen. Rüdiger Maas beunruhigt diese Entwicklung. Denn Internetsüchtige sind ein weit verbreitetes, aber noch wenig beachtetes Krankheitsbild. Rüdiger Maas studierte in Deutschland und Japan Psychologie. Er ist Gründer und Leiter eines Instituts für Generationenforschung.

Die Überbehütung schafft „schwache Menschen“

Die Aufmerksamkeitsspanne junger Menschen reduziert sich immer weiter. Und leider nehmen auch andere mit dem Internetkonsum verbundene psychische Erkrankungen und Folgen wie Angststörungen, soziale Unsicherheit oder Depression zu. Hinzu kommt, dass viele Eltern fleißig mithelfen, dass sich ihr Kind in der analogen Welt, der Welt ohne Internet, nicht mehr auskennt. Sie erfüllen nicht nur jeden Wunsch, sie erziehen zudem oft „überprotektiv“. Das heißt, sie sorgen dafür, dass ihren Kindern nahezu alles abgenommen wird, was analog schwierig oder unangenehm wirkt.

Die Überprotektionierung – oder die guten Zeiten – schafft „schwache Menschen“. Das klingt hart, ist aber so und lässt sich tatsächlich nachweisen. Rüdiger Maas erklärt: „Jemand, der nie scheitern wird, wird auch nie den Antrieb entwickeln, etwas besser zu machen, als es gerade ist.“ Erfolg stellt sich nur bei alldenjenigen ein, die Resilienz in Zeiten von elterlicher Überbehütung und Verwöhnung aufbauen können. Denn diese hilft, aus den folgenden schlechten Zeiten wieder etwas Positives zu machen.

Man muss seinem Kind nicht immer sofort alles ermöglichen

Die Identitätsbildung ist ein ständiger Prozess, der im Dialog zwischen inneren Bedürfnissen, dem gesellschaftlichen Wertesystem und dessen Erwartungen steht. Das Feedback der Mitmenschen, der sozialen Umgebung spielt dabei eine große Rolle. Für die meisten Kinder und Jugendlichen gilt primär das digitale Feedback. Das überdies immer öfter kommen muss, sie immer schneller erreichen muss – und von ganz vielen Menschen! Was die Eltern sagen, raten oder machen, kommt kaum bei ihnen an, da es schlicht nicht digital ist.

Was bedeutet das alles für die Eltern? Rüdiger Maas gibt einige Ratschläge: „Es ist okay, wenn ein Kind mal weint, sich prügelt oder krank ist. Es ist auch okay, Nein zu sagen und seinem Kind nicht immer alles sofort zu ermöglichen. Verzicht, Bescheidenheit, Geduld und Verbindlichkeit – das sind Tugenden, die wir unseren Kindern beibringen müssen, denn das können sie sich nicht digital aneignen.“ Und das ist durchaus mühevoll, dafür wird man nicht immer und sofort ein Lächeln ernten. Dennoch müssen die Eltern dafür sorgen, dass ihre Kinder das fehlende Training in der Offline-Welt aufholen können.

Generation lebensunfähig
Wie unsere Kinder um ihre Zukunft gebracht werden
Rüdiger Maas
Verlag: Yes Publishing
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten, Auflage: 2021
ISBN: 978-3-96905-071-2, 19,99 Euro

Von Hans Klumbies