Menschen wollen sich das Leben leichter machen

Der Einfallsreichtum des Menschen zeigt sich in Kunstwerken, Musik und Geschichten. Er lässt sich aber auch an Dingen ablesen, mit denen er sich umgibt. Heute ist es für viele Menschen selbstverständlich, bereits in der eigenen Wohnung Zugriff auf Tausende verschiedener Gegenstände zu haben. Stefan Klein fügt hinzu: „Die meisten dieser Objekte beachten wir kaum. Wir lagern sie in irgendeinem Winkel und erinnern uns nur unter besonderen Umständen an sie.“ Selbst ein Werkzeugkasten ist ein Monument der schöpferischen Intelligenz. Auf solche Zeugnisse der Kreativität stößt man, wohin man in der heutigen Welt nur schaut. Es scheint, als sei dem Menschen ein Drang angeboren, sich mit Einfällen das Leben leichter und interessanter zu machen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

Die Einfälle vermehren sich immer schneller

Aber die Geschichte nährt an dieser heroischen Vorstellung Zweifel. Gewiss, man bewundert, welch raffinierte Dinge sich die Menschen in früheren Jahrhunderten ausgedacht haben. Leicht übersieht man dabei allerdings, wie jung fast alle Errungenschaften sind, die man heute genießt, manchmal jedoch auch verflucht. Die Gegenwart versperrt den Blick auf eine größere Wirklichkeit. Viele Menschen können sich eine Welt ohne allgegenwärtiges Internet kaum ausmalen, dabei liegt eine solche Realität gerade zwanzig Jahre zurück.

In der längsten Phase ihrer Geschichte besaß die Menschheit fast nichts. Die Vorfahren der heutigen Menschen erfanden über Jahrmillionen mit einer geradezu quälenden Langsamkeit neue Gegenstände. Erst seit relativ kurzer Zeit vermehren sich die Einfälle immer schneller. Die Zahl der genutzten Gegenstände ist ein Maß für den Reichtum einer Kultur, ein anderes ist verfügbare Information. Während der Vorgeschichte erfuhr jeder Mensch nur durch die in seiner Umgebung gesprochenen Worte die Ideen und das Wissen von anderen.

Fast alles Wissen ist im Internet gespeichert

Stefan Klein blickt zurück: „Als in der Antike die Schrift aufkam, konnten Lesekundige sich auch mit Abwesenden austauschen, sogar an den Gedanken von Toten teilhaben. Information, die jetzt die Zeit überdauerte, sammelte sich an.“ Seit dem 20. Jahrhundert ist fast alles Wissen, sind fast alle Ideen der Menschheit elektronisch gespeichert und über das Internet abrufbar. Die Mehrung sowohl der erfundenen Dinge als auch der Information spiegelt die Aktivität des menschlichen Geistes.

Viele Vorgänge in der Natur und in der Gesellschaft folgen einem exponentiellen Wachstumsgesetz. Als Beispiele nennt Stefan Klein die ungebremste Verbreitung von Krankheitserregern in einer Pandemie oder die Vermögensmehrung durch Zinseszins auf einem Konto. Jedes exponentielles Wachstum zeichnet sich durch ständige Beschleunigung aus. Die heutige Menschheit lebt in einer Zeit der außerordentlichen Kreativität. Denn heute produzieren die Menschen um Größenordnungen mehr Ideen als in der Renaissance. Quelle: „Wie wir die Welt verändern“ von Stefan Klein

Von Hans Klumbies