Das Titelthema des Philosophie Magazins 03/2015 beschäftigt sich mit den Anderen, deren Anwesenheit scheinbar nicht immer ein Segen ist. Denn allzu oft stören die Mitmenschen, nerven und machen einem im schlimmsten Fall das Leben zur reinen Hölle. Andererseits, wer wollte und könnte ernsthaft ohne andere Menschen leben – ohne deren Berührung, Mitgefühl und Inspiration? Besonders herausfordernd ist der Andere, wenn er aus einer fremden Kultur stammt. Was soll man mit einem solchen Menschen tun? Es gibt verschiedene Möglichkeiten: tolerieren, diskutieren oder drangsalieren oder ihn einfach zum Freund erklären. Fritz Breithaupt, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Indiana University, Bloomington, behauptet: „Wer den Anderen nur als konkretes Gegenüber denkt, verfehlt den sozialen Kern unserer Existenz. Denn in Wahrheit sind wir keine dialogischen, sondern triadische Wesen.“ Der Dritte in unser aller Bunde nimmt die friedensstiftende Rolle ein.
Fasten erneuert das Verhältnis zum eigenen Selbst
Ausgrenzungen des Anderen interpretiert die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan psychologisch als eine Reaktion der Abwehr und der Angst und als ein Indiz für Schwäche. Auch ist sie davon überzeugt, dass es immer die Möglichkeit gibt, die Abweichung des Anderen als Bereicherung zu erfahren. Ihr geht es vor allem darum, dass wir den Anderen bejahen müssen, sowohl als Person als auch in seiner Freiheit. Gesine Schwan sagt: „Konsens ist für mich nicht Anpassung, sondern der Boden dafür, dass man einander zumindest versucht zu verstehen und nicht von vorneweg ablehnt.“
Der Schriftsteller und Journalist Daniel Schreiber setzt sich in seinem Essay mit dem Fasten auseinander. Die Kulturtechnik des Fastens steht für mehr als nur freiwilligen Verzicht auf Nahrung. Daniel Schreiber erklärt: „Sie ist seit Jahrtausenden Teil des bewussten Strebens, das Verhältnis zum eigenen Selbst und zur Welt zu erneuern.“ Daniel Schreiber legt in seinem Text die philosophischen Wurzeln des neuen Massenphänomens frei. Sämtliche Weltreligionen kennen das Fasten als wiederkehrenden Imperativ der Selbstüberwindung. Auch in der Antike in den Schulen der Lebenskunst galt das Fasten als fester Bestandteil einer gelungenen Lebensführung.
Tolerante Völker leben friedfertiger und glücklicher
In der Rubrik „Das Gespräch“ kommt diesmal der Rockstar unter Amerikas Moralphilosophen, Michael J. Sandel. Sein Denken kreist um die Frage, wie die voranschreitende Ökonomisierung der Gesellschaft das moralische Empfinden der Menschen verändert und dabei zunehmend verarmen lässt. Wenn man dem Markt immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens überlässt, versetzt das die Bürger in einen Zustand gesellschaftlicher Abgestumpftheit. Dabei entleert sich die Kultur ihres Sinns, der moralische und geistige Inhalt geht verloren.
Die Rubrik „Der Klassiker“ ist diesmal Voltaire und der Toleranz vorbehalten. Intoleranz ist für Voltaire deshalb gefährlich, weil sie, weit davon entfernt, den gesellschaftlichen Frieden oder den Gehorsam zu begünstigen, am Ursprung gewaltsamer Unruhen und scheußlicher politischer Verbrechen steht. Im Gegensatz dazu sind die Völker, die Toleranz üben, friedfertigen, gedeihlicher und glücklicher. Weitere Themen, des wie immer zum Denken anregenden Philosophie Magazins sind unter anderem: „Die Gewalt der religiösen Gefühle“ von Hartmut Rosa, „Unternehmen Unsterblichkeit“ von Alexandre Lacroix und „Das Leben als Single ist keine tragische Entscheidung“ von Eric Klinenberg.
Von Hans Klumbies