Die Freiheit kann für die Liebe zum Problem werden

„Freiheit“ ist spätestens seit den Zeiten der Aufklärung, seit Immanuel Kant also, eines der großen Worte der Gesellschaft, der Moral und der Politik. Peter Trawny nennt ein Beispiel: „Als erster Begriff der Triade „Liberté, Egalité, Fraternité“ hat sie die Französische Revolution angeführt.“ So ist es auch kein Wunder, dass das Wort ganz am Beginn der Präambel der Menschenrechtserklärung von 1948 auftaucht. Frei sein zu wollen ist heutzutage scheinbar ein derart banaler Wunsch, dass die meisten Menschen ihn für gewöhnlich gar nicht mehr thematisieren. Wenn die Freiheit bedroht zu sein scheint, ist die Empörung allerdings groß. Dabei ist der Begriff der Freiheit besonders in Form des feministischen Projekts immer noch höchst aktuell. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Weiterlesen

Das Burn-out-Syndrom umfasst drei Komponenten

Um zu klären, dass ein Mensch nicht ausgebrannt, sondern vor allem selbstverloren ist, muss man zunächst das Burn-out-Syndrom klären. Die Psychologin Christina Maslach hat viel dazu beigetragen, dem Burn-out-Syndrom auf die Spur zu kommen. Ihren Studien zufolge sind daran maßgelblich drei Komponenten beteiligt. Georg Milzner kennt sie: „Zum einen muss die Person eine ungewöhnliche, ja dramatische Erschöpfung erleben. Ihre Ressourcen scheinen aufgebraucht, Müdigkeit und Konzentrationsmangel sind häufig, der Schlaf bietet kaum ausreichend Erholung und ist oft zudem gestört.“ Es ist diese Komponente, bei der die Metapher des Ausgebranntseins am häufigsten andockt. Die zweite Komponente betrifft die Arbeit. Sie wird eigentümlich distanziert wahrgenommen, oft kommen kalte Ironie und Zynismus dazu. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

Weiterlesen

Alle Menschen streben nach Glück

Die Frage nach dem Glück steht im Zentrum aller großen Weisheitslehren der Menschheit. Schon Epikur erinnerte daran, dass alle Menschen nach Glück streben, egal wie es dann im Einzelnen aussehen mag. Frédéric Lenoir weiß: „Allerdings machen wir auch die Erfahrung, dass es so wenig greifbar ist wie Wasser oder Luft. Sobald man denkt, man habe es in der Hand, entwischt es einem wieder.“ Wenn man versucht es festzuhalten, läuft es davon. Manchmal entzieht es sich da, wo man es erhofft, und kommt in dem Augenblick wieder, in dem man es am wenigsten erwartet. Das große Paradoxon des Glücks ist, dass es ebenso widerspenstig wie zähmbar ist. Es hängt gleichermaßen vom Schicksal und von günstigen Zufällen ab wie von einem vernünftigen und willentlichen Handeln. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

Weiterlesen

Reinhard K. Sprenger schätzt die Magie des Konflikts

Im Grunde will niemand etwas mit Konflikten zu tun haben. Aber die meisten Menschen werden von ihnen wahrscheinlich ebenso abgestoßen wie angezogen. Zudem gelten Menschen, die keine Konflikte haben, als langweilig. Interessante Geschichten in der Literatur wie im wahren Leben basieren fast immer auf Konflikten. Reinhard K. Sprenger schreibt: „Spannungsverhältnisse sind nicht nur belastend, sondern sie machen das Leben eben auch – spannend.“ Konflikte ziehen die Menschen also an und stoßen sie gleichzeitig ab. Wer nur die abstoßende Wirkung fühlt, billigt zwar die übliche Dämonisierung, schadet sich damit aber selbst. Denn über übersieht etwas ganz Zentrales: die lebenspendende Funktion von Konflikten. Konflikte sind für Reinhard K. Sprenger nicht nur die Motoren des Lebens, sondern sie wecken auch die vitalen Kräfte eines Unternehmens. Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.

Weiterlesen

Vorhersehbarkeit ist eine fundamentale Dimension sozialer Interaktionen

Für den Soziologen und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann ist die Reduktion von Komplexität und Ungewissheit ein grundlegender Bestandteil sozialer Prozesse. Eva Illouz erläutert: „Liebe ist – wie Wahrheit, Geld oder Macht – ein Kommunikationsmedium, das dabei hilft, Erwartungen zu erzeugen, eine Entscheidung unter vielen möglichen anderen auszuwählen, Motivationen mit Handlungen zu verbinden sowie Gleichheit und Vorhersehbarkeit in Beziehungen zu schaffen.“ Ein solches Medium der Kommunikation bringt Rollen hervor, die wiederum erwartete Ergebnisse produzieren. Vorhersehbarkeit ist eine fundamentale Dimension sozialer Interaktionen, die beispielsweise in Riten besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Wenn Interaktionen ritualisiert werden, erzeugen sie Gewissheit über die Beziehungsdefinition der Akteure, über ihre Position in einer solchen Beziehung und über die dazugehörigen Verhaltensregeln. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem sowie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique de la Sorbonne.

Weiterlesen

Die Globalisierung hat ihre Versprechen nicht gehalten

Die Globalisierung ist mit ein paar Versprechen angetreten. Wohlstand für alle – oder zumindest für immer mehr Menschen. Ausbreitung von Frieden, Freiheit und Demokratie, Beseitigung von Armut sowie Stärkung der individuellen Freiheiten. In ihrem programmatischen Unterfutter, dem „Washington Consensus“ von 1989/90 war sogar vom Abbau von Ungleichheit die Rede. Herbert Renz-Polster fügt hinzu: „Und tatsächlich lagen ja die Chancen geradezu am Wegrand. Die postkoloniale Ordnung war aufgebrochen, mit dem Ende der Sowjetunion hatte die Welt einen echten humanitären Quantensprung geschafft.“ Die nun offeneren Grenzen hätten in der Tat auf offenere Grenzen für mehr Gerechtigkeit, ja, sogar für ein neues, nun wirklich postkoloniales Verhältnis zwischen Nord und Süd sein können. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.

Weiterlesen

Thomas Junker kennt den Zusammenhang von Sex und Macht

Ähnlich ambivalent wie das Verhältnis von Sex und Geld stellt sich der Zusammenhang von Sex, Macht und Gewalt dar. Die Attraktivität von Macht liegt auf der Hand, denn sie bedeutet Schutz. Schutz vor den Gefahren der Umwelt und Schutz vor anderen Menschen. Thomas Junker fügt hinzu: „Auch deshalb kann das erotische Spiel mit Macht und Unterwerfung so reizvoll sein. Nicht nur der Marquis de Sade war ihm verfallen.“ Bis heute prallen die Meinungen unversöhnlich aufeinander, ob die spielerische Auseinandersetzung mit sexueller Macht und Gewalt für die psychische Gesundheit eines Menschen unabdingbar ist oder ob es sich um den ersten Schritt in die Inhumanität handelt. Da Männer von einer Vergewaltigung biologisch profitieren können, wenn es zur Schwangerschaft kommt, wäre es denkbar, dass in der Evolution eine entsprechende angeborene Neigung entstanden ist. Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

Weiterlesen

Menschen können gewalttätig und grausam sein

Auf dem Weg, sich von seinen angeborenen Instinkten zu befreien, ist der Mensch schon lange, jedenfalls lange bevor er Grund hatte, dem Verdacht einer Geringschätzung der Natur ausgesetzt zu sein. Zunächst war seine allmählich wachsende Fähigkeit, sich selbst eine Lebensweise auszuwählen, nicht günstig für die Pflanzen und Tiere, von denen der Mensch sich ernährte. Er pflanzte sie in Reih und Glied, züchtete sie nach seinen Erwartungen und ging mit den Tieren nach seinen Zwecken um. Volker Gerhard erläutert: „Er trennte die Jungtiere von den Müttern, um deren Milch für sich selbst zu nutzen, schor ihnen das Fell, und schlachte sie, nicht nur um ihr Fleisch zu essen, sondern auch, um sie den Göttern zu opfern.“ Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

Weiterlesen

Das Leben ist eine einzige große Verpflichtung

Seit Immanuel Kant wusste das europäische Denken um die eigentliche Würde des Menschen Klares auszusagen. Der Philosoph aus Königsberg selbst hatte in der zweiten Formulierung seines kategorischen Imperativs gesagt, dass jedes Ding seinen Wert habe, der Mensch aber seine Würde – der Mensch dürfe niemals ein Mittel zum Zweck werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Menschen pessimistisch geworden. Viktor Frankl meint: „Wir glauben nicht mehr an einen Fortschritt schlechthin, an eine Höherentwicklung der Menschheit, als an etwas, was sich selbstständig durchsetzen würde.“ Der blinde Glaube an den automatischen Fortschritt ist eine Angelegenheit des „satten Spießbürgers“ geworden. Viktor E. Frankl war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien und 25 Jahre lang Vorstand der Wiener Neurologischen Poliklinik. Er begründete die Logotherapie, die auch Existenzanalyse genannt wird.

Weiterlesen

Ungewissheit zählt zur Grunderfahrung des Menschen

Sehr viele Menschen leben heute in Gesellschaften, in denen sich Veränderung mit einer so hohen Geschwindigkeit vollziehen, dass sie den Überblick zu verlieren drohen. Frühere Gesellschaften boten ihren Mitgliedern bei allen stürmischen Entwicklungen und Zumutungen immer noch einen relativ stabilen Orientierungs- und Entfaltungsrahmen, der für Überblick, Strukturierung, Klarheit, Abschätzbar- und Überschaubarkeit der individuellen Lebensführung einigermaßen Sorge trug. Ernst-Dieter Lantermann erklärt: „Diese Lebensgewissheiten kann eine moderne Gesellschaft nicht mehr leisten. Ungewissheit und Unsicherheit sind zu Grunderfahrungen von uns allen geworden, ob wir dies nun gutheißen oder nicht.“ Der Historiker Heinrich August Winkler spricht von einem „Zeitalter der allgemeinen Verunsicherung“, der Philosoph Zygmunt Baumann von einer „fluiden“ Gesellschaft, in der alles im Fluss sei und keine Stabilitäten mehr Geltung hätten. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

Weiterlesen

Die Eliten sind scharfer Kritik ausgesetzt

Das 23. Philosophicum Lech gestaltet sich zum Thema „Die Werte der Wenigen. Eliten und Demokratie gewohnt interdisziplinär. Wissenschaftliche Ansätze von der Philosophie über Kulturwissenschaften bis zur Soziologie greifen ineinander. Das Spektrum der Vorträge reicht dabei vom Plädoyer für eine partizipative Arbeitswelt über Daten zur Verteilung von Macht und Kapital bis hin zur Werteethik einer Wohlstandsgesellschaft. Herausgeber Konrad Paul Liessmann schreibt in seinem Beitrag, dass über Eliten wieder gesprochen wird – allerdings meist in negativer Form. Spitzenpolitiker, Manager, Meinungsführer sehen sich einer scharfen Kritik ausgesetzt, die nicht wie in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht von links, sondern von Rechtspopulisten und Neokonservativen vorgetragen wird – teilweise berechtigterweise. Denn ein Gutteil der politischen Katastrophen und Skandale der letzten Jahre verdankt sich auch den Tätigkeiten, Empfehlungen, Einschätzungen und Fehleinschätzungen der Eliten. All das lässt nicht gerade auf Weitsicht, Umsicht, Kompetenz und Redlichkeit schließen.

Weiterlesen

Alle Emotionen sind auf ein Objekt gerichtet

Martha Nussbaum vertritt die Auffassung, dass sämtliche Emotionen mit einem Denken oder Wahrnehmen verbunden sind, das intentional auf ein Objekt gerichtet ist – als Gegenstand, welchen die Person, die die Emotion wahrnimmt oder sich vorstellt. Zugleich sind sie mit einer wertenden Beurteilung dieses Objekts verbunden, die der jeweilige Akteur aus seiner eigenen Perspektive wahrnimmt. Dabei gibt er dem Objekt in Bezug auf seine Ziele und Zwecke eine Bedeutung. Martha Nussbaum nennt ein Beispiel: „Darum trauern wir nicht wegen jedem Todesfall auf der Welt, sondern nur wegen dem Tod der Menschen, die uns in unserem Leben wichtig erscheinen.“ Diese Beurteilung muss nicht mit fertigen Überzeugungen verbunden sein, auch wenn dies häufig der Fall ist. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

Weiterlesen

Das Böse lässt sich nur unzureichend erklären

Die meisten Menschen sprechen nicht gerne über das Böse, sie umschreiben und vermeiden den Ausdruck, halten ihn für dunkel und bedrohlich, für vielschichtig, mehrdeutig, unwissenschaftlich und undefinierbar – und sie wissen doch, was damit gemeint ist. Das Böse ängstigt und bedrückt sie, es ist unheimlich, unfassbar und sehr oft unaussprechbar. Es fällt ihnen schwer, das Böse zu benennen, selbst den bloßen Ausdruck nehmen sie kaum in den Mund. Laut Reinhard Haller tun sich viele Menschen schwer, das Böse in ihrem Inneren zu betrachten, böse Absichten als solche kundzutun und das Wort an sich auszusprechen. Man kann seiner Meinung nach den Begriff des Bösen tatsächlich nur schwer beschreiben und nur unzureichend erklären. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Weiterlesen

In Zeiten der Globalisierung wird Zuwanderung zur Normalität

Die Chronik der Menschheit ist eine Geschichte der großen Wanderungen und Flüchtlingsbewegungen. Horst Opaschowski erläutert: „Als Hauptursache gilt die wachsende Kluft zwischen armen und reichen Ländern in der Welt. Die Erfahrung zeigt: Armut benötigt keinen Pass, um Ländergrenzen zu überwinden.“ Internationale Migration, Bevölkerungsbewegungen aus weniger entwickelten Ländern in „Wohlstandsgesellschaften“, wird auch in den nächsten zwanzig Jahren problematische Entwicklungen mit sich bringen. Eine Zuwanderungskrise großen Ausmaßes kann die Folge sein. Im Zeitalter der Globalisierung wird Zuwanderung zur Normalität – zugespitzt in der These: „Die Welt wandert und wächst – Deutschland altert und schrumpft.“ Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

Weiterlesen

Rolf Dobelli unterscheidet zwischen zwei Ichs

Rolf Dobelli unterscheidet zwischen einem „erlebenden Ich“ und einem „erinnernden Ich“. Das erlebende Ich ist jener Teil des Bewusstseins, der den jeweils aktuellen Augenblick erlebt. Es erlebt nicht nur, was man gerade tut, sondern auch, was man dabei denkt und fühlt. Rolf Dobelli nennt Beispiele: „Es nimmt körperliche Zustände wie Müdigkeit, Zahnschmerzen oder Anspannung wahr.“ Dies alles vermischt sich zu einem einzigen erlebten Moment. Psychologen gehen davon aus, dass ein solcher Moment rund drei Sekunden dauert. Das ist die Dauer, die man als Gegenwart empfindet, kurzum all die erlebten Dinge, die man zu einem „Jetzt“ zusammenfasst. Eine längere Zeitspanne wird bereits als Abfolge verschiedener Momente erlebt. Der Bestsellerautor Rolf Dobelli ist durch seine Sachbücher „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“ weltweit bekannt geworden.

Weiterlesen

Der Hass ist umfassend und allgemein

Der Hass stellte eine negative Emotion dar, der sich auf das Ganze der Person konzentriert statt auf die einzelne Tat. Obgleich auch der Zorn auf eine Person gerichtet ist, liegt sein Focus auf der Tat, und wenn die Tat irgendwie aus der Welt geschafft wird, kann man erwarten, dass sich auch der Zorn verflüchtigt. Martha Nussbaum fügt hinzu: „Der Hass hingegen ist umfassend und allgemein, und wenn dabei Handlungen eine Rolle spielen, dann einfach deshalb, weil alles an der Person in einem negativen Licht gesehen wird.“ Aristoteles zufolge gibt es nur eine einzige Sache, die gegen den Hass hilft und ihn wirklich zur Ruhe kommen lässt: nämlich dass die Person zu existieren aufhört. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

Weiterlesen

Das Lesen tritt immer mehr in den Hintergrund

Das Lesen ist immer noch allgegenwärtig, wird durchgängig pädagogisch gelobt, ist immer noch Kern der Bildung, kennt aber leider kaum noch eine praktische oder kommunizierte Kultur. Wann soll man lesen, und wenn ja, wie viel? Walter Benjamin sah noch im Studenten den Urtyp des Sammlers – weil Studierende Wissen suchen, sammeln und ordnen. Wer den Hochschulbetrieb wie Frank Berzbach kennt, der weiß, dass die Bildungsidee lange durch die der bloßen Qualifikation ersetzt wurde: „Die bedarf aber weniger der strengen Lektüre, sondern eher der Fähigkeit zur schnellen Recherche. Da Google alles zu wissen scheint, wird das Gedächtnis narkotisiert, die Aufmerksamkeitsspanne wird geringer.“ Das alles mag für den Arbeitsmarkt wichtig sein, für den Zugang zur Schönheit ist diese Entwicklung hinderlich.“ Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

Weiterlesen

Die deutsche Arbeiterklasse leistete keinen Widerstand gegen den Faschismus

Am 13. März 1933 wurde über dem Frankfurter Rathaus die Hakenkreuzfahne gehisst. Am selben Tag schloss die Polizei das Institut für Sozialforschung. Lediglich zwei Jahre nach der Antrittsvorlesung Max Horkheimers, in welcher er die multidisziplinäre Ausrichtung der Arbeit am Institut dargelegt hatte, aus der sich die Kritische Theorie entwickeln sollte, wurden er und seine Institutskollegen ins Exil gezwungen. Stuart Jeffries stellt fest: „Erich Fromms Ergebnis seiner Forschungen über die deutsche Arbeiterklasse hatte sich bestätigt: Was den Widerstand gegen Adolf Hitler betraf, war mit den deutschen Arbeitern nicht zu rechnen.“ Warum hatte der Faschismus in Deutschland triumphiert? An Theorien dazu gab es keinen Mangel, und tatsächlich sollte die Frage zu einer tiefen Spaltung der Frankfurter Schule führen. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

Weiterlesen

Menschenkenner werden ist ganz schön schwer

Bei dem „Handbuch der Menschenkenntnis“ handelt es sich um eine Anthologie großer Denker, Forscher und Spötter. Es enthält Beiträge von Aristoteles über Charles Darwin bis zu Eckart von Hirschhausen. Der Leser begibt sich auf eine Tour durch 2500 Jahre Menschheitsgeschichte. Von jeher versucht der Mensch, das Tun und Lassen seiner Artgenossen zu ergründen, ihre Motive und Ziele zu verstehen, wie sie denken und fühlen. Von der Viersäftelehre, Charakterkunde und Physiognomik zur Persönlichkeitsforschung, von den Anfängen der Weltliteratur bis heute führt Georg Brunolds Streifzug durch die Menschenkunde, in der man nicht nur Erstaunliches über seine Mitmenschen kennenlernt, sondern auch Hochpraktisches über den Umgang mit ihnen und sich selbst. Georg Brunold ist promovierter Philosoph. Er war Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und hat aus über 80 Ländern dieser Welt berichtet.

Weiterlesen

Der IQ ist für beruflichen Erfolg eine wichtige Voraussetzung

Der Intelligenzquotient (IQ) ist in hohem Maß genetisch vorgegeben und nicht wesentlich veränderbar. Andreas Salcher ergänzt: „Und der IQ ist zumindest in unserer Leistungsgesellschaft für beruflichen Erfolg eine wichtige Voraussetzung, allerdings mit abnehmendem Grenznutzen.“ Ein IQ von 120 reicht zum Beispiel völlig aus, um in Organisationen Karriere zu machen oder ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Ein IQ von 160 macht dabei keinen entscheidenden Unterschied – außer man will unbedingt einen Nobelpreis. Mit einem unterdurchschnittlichen IQ, also deutlich unter 100, wird man dagegen höchstwahrscheinlich sowohl in der Schule als auch im Beruf keinen nachhaltigen Erfolg haben. Für den Karriereforscher und Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) Johannes Steyrer zeigen Langzeitstudien, dass der IQ signifikant mit Schulleistungen korreliert. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

Weiterlesen

Die Frage nach den Grenzen des Privateigentums ist aktueller denn je

Das neue Philosophie Magazin 02/2020 beschäftigt sich in seinem Titelthema mit der Frage „Eigentum verpflichtet – aber wozu?“. Mit Blick auf die utopische Literatur wird deutlich: Sammelt sich das Privateigentum in den Händen weniger, wird es zu einer illegitimen Quelle von Herrschaft. Zum anderen wird aber auch klar, dass diese kollektiven Gesellschaftsentwürfe wie Platons „Politeia“, Thoma Morus´ „Utopia“ oder Tommaso Campanellas „Der Sonnenstaat“ keineswegs herrschaftsfrei daherkommen. Ganz im Gegenteil werden bestimmte Gruppen und ihre spezifischen Fähigkeiten mit Macht ausgestattet. Die Frage nach den Grenzen des Privateigentums ist heutzutage aktueller denn je. Denn die 45 reichsten Haushalte in Deutschland besitzen derzeit so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der gesamten Bevölkerung. Die Menschen sollten wieder streiten lernen, in welchen Eigentumsverhältnissen sie zukünftig leben wollen.

Weiterlesen

Alles Menschenwerk ist zur Vergänglichkeit verurteilt

Bei Seneca findet man sehr häufig den Gedanken, sich immer wieder die Natürlichkeit und Unausweichlichkeit des Todes und des Vergehens bewusst zu machen. In zahlreichen Varianten betont er: „Alles Menschenwerk ist zur Vergänglichkeit verurteilt, wir leben inmitten einer Umgebung, der keine Dauer beschieden ist.“ Alles, was ein Mensch hat, ist nur geliehen. Irgendwann muss er es zurückgeben, spätestens dann, wenn er sich selbst der Schöpfung zurückgeben muss. Albert Kitzler ergänzt: „Deshalb sollten wir uns an dem Geliehenen erfreuen, solange wir es besitzen, und dafür dankbar sein, anstatt uns zu grämen, wenn es nicht mehr da ist.“ Das gilt auch im Hinblick auf den eigenen Tod und die Gedanken an ihn. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

Weiterlesen

Die Demokratie kann niemals vollständig realisiert werden

Als politische Ordnung will die Demokratie möglichst vielen Menschen möglichst viel Gleichheit bieten. Doch zugleich will sie der individuellen Freiheit eines jeden Rechnung tragen. Paul Verhaeghe ergänzt: „Im Streben nach und womöglich im Erzwingen von Gleichheit wird dem Individuum jedoch Gewalt angetan. Umgekehrt wird durch das Respektieren von Individualität die Gleichheit angegriffen.“ Jacques Derridas pragmatische Schlussfolgerung lautet, dass Demokratie niemals vollständig realisiert werden kann, es geht ausschließlich immer um eine kommende Demokratie. Sie kommt in Etappen und ohne einen definitiven Endpunkt. Demokratisierung ist nach wie vor „work in progress“, ein Prozess, bei dem man vor allem das Ziel vor Augen haben muss. Das Ziel ist, dass der „demos“, das Volk sich selbst regiert. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

Weiterlesen

Als erster italienischer Humanist gilt Lovato de` Lovati

Der Florentiner Brunetto Latini (1220/30 – 1294), zur Zeit der Volksregierung Kanzler des zerspaltenen Florenz, war immer wieder in politische Auseinandersetzungen verstrickt und musste zeitweilig ins französische Exil weichen. Er übersetzte Texte Ciceros in die Volkssprache und sorgte so dafür, dass sie Verbreitung fanden. Bernd Roeck weiß: „Sein Cicero war weniger der Philosoph als der Staatsmann und Verteidiger republikanischer Freiheit, für die auch Latini leidenschaftlich eintrat.“ Auf den eigenen Kirchturm blickender Bürgerstolz, der aus dem Widerspruch gegen die Ritterkultur und die von ihr angefeuerten selbstmörderischen Parteienkämpfe in Italiens Stadtgesellschaften genährt wurde, zählte zu den wichtigsten Voraussetzungen des frühen Humanismus. Als dessen erster Vertreter gilt der Paduaner Lovato de` Lovati (1240 – 1309). Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Weiterlesen

Die Denker der Antike strebten nach Weisheit

Die ersten großen Denker in der Epoche der Renaissance Marsilius Ficinus und Pico della Mirandola lassen das griechische Ideal der Weisheit wiederaufleben. Frédéric Lenoir erläutert: „Sie versuchen, nach dem Vorbild der Antike den Menschen in einem Kosmos zu integrieren: Der Mensch ist als Teil mit einem Ganzen verbunden und muss sich der universellen Gesetzen der Natur unterwerfen.“ Im 17. Jahrhundert denkt der Philosoph Baruch Spinoza gewissermaßen die von den Denkern der Antike ererbte Sichtweise weiter und entwickelt eine ethische Philosophie, die ganz dem Streben nach Weisheit verpflichtet ist. Im vorigen Jahrhundert hatte auch Montaigne eine Weisheit „auf der Höhe des Menschen“ vorgeschlagen, die zwar von Skeptizismus gefärbt, aber auch auf Glück und Freude ausgerichtet ist. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

Weiterlesen