Die Eliten sind scharfer Kritik ausgesetzt

Das 23. Philosophicum Lech gestaltet sich zum Thema „Die Werte der Wenigen. Eliten und Demokratie gewohnt interdisziplinär. Wissenschaftliche Ansätze von der Philosophie über Kulturwissenschaften bis zur Soziologie greifen ineinander. Das Spektrum der Vorträge reicht dabei vom Plädoyer für eine partizipative Arbeitswelt über Daten zur Verteilung von Macht und Kapital bis hin zur Werteethik einer Wohlstandsgesellschaft. Herausgeber Konrad Paul Liessmann schreibt in seinem Beitrag, dass über Eliten wieder gesprochen wird – allerdings meist in negativer Form. Spitzenpolitiker, Manager, Meinungsführer sehen sich einer scharfen Kritik ausgesetzt, die nicht wie in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht von links, sondern von Rechtspopulisten und Neokonservativen vorgetragen wird – teilweise berechtigterweise. Denn ein Gutteil der politischen Katastrophen und Skandale der letzten Jahre verdankt sich auch den Tätigkeiten, Empfehlungen, Einschätzungen und Fehleinschätzungen der Eliten. All das lässt nicht gerade auf Weitsicht, Umsicht, Kompetenz und Redlichkeit schließen.

Es kann auch eine anständige Elite geben

Der Philosoph Wolfram Eilenberger spricht es ganz ungeschützt aus: „Menschen sind nicht gleich! Jedenfalls nicht, was ihre Fähigkeiten und Motivationen, ihre Handlungsziele und ihre innere Festigkeit betrifft.“ Vor allem ihre Talente und Sehnsüchte lässt einige wenige Individuen aus der Masse herausragen. Was sie allerdings zu sozialen Störenfrieden macht, ist ihr Beharren auf dem Willen zum exzellenten Ausscheren. Diese Menschen – mehr als ein Prozent der Gesamtbevölkerung sind es eigentlich nie – lauschen gleichsam ihrer ganz eigenen Daseinsmelodie.

Die Politikphilosophin Katja Gentinetta geht der Frage nach, wem die politischen Eliten eigentlich dienen. Dabei gilt: Gute Regierungen dienen den Regierten, schlechte Regierungen sich selbst. Allerdings gibt es keine Gesellschaft ohne Eliten. Eine Kritik an ihnen, die im Kern auf ihrer Negation beruht, schießt deshalb ins Leere. Fruchtbarer wäre es zu fragen, wer von denen, die „da oben“ sind, nur auf sich schaut – und inwiefern. Ein solcher Zugriff ließe immerhin die Möglichkeit offen, dass es auch eine anständige Elite geben kann, die ihren Dienst an der Gesellschaft leistet.

Exorbitanter Reichtum muss verboten werden

Christian Neuhäuser, Professor für Politische Philosophie, weist in seinem Beitrag darauf hin, dass gegenwärtig auf globaler Ebene eine Geldelite entsteht, die in einem unvereinbaren Konflikt mit dem republikanischen Selbstverständnis von Ländern wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz steht. Denn großer Geldreichtum führt zu ebenso großer sozialer, wirtschaftlicher und politischer Macht. Das steht im Widerspruch zum republikanischen Gleichheitsgedanken. Die einzige Möglichkeit, die Republik zu retten, besteht seiner Meinung nach darin, exorbitanten Reichtum zu verbieten.

Für den Soziologen Michael Hartmann stellt eine tiefgreifende soziale Öffnung der Eliten einen entscheidenden Baustein für eine positive Veränderung dar. Der zweite entscheidende Faktor ist seiner Ansicht nach eine grundlegende Kehrtwende in der Grundausrichtung der Politik: „Der neoliberale Kurs der letzten Jahrzehnte muss beendet und die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen werden.“ Die Bereitschaft zum politischen Engagement ist bei jungen Menschen durchaus da, wenn sie wissen, wofür sich ihr Einsatz lohnt. Von genereller Politikmüdigkeit der Jugend kann genauso wenig die Rede sein wie von genereller Politikverdrossenheit.

Philosophicum Lech 23
Die Werte der Wenigen
Eliten und Demokratie
Konrad Paul Liessmann (Hg.)
Verlag: Zsolnay
Broschierte Ausgabe: 237 Seiten, Auflage: 2020
ISBN: 978-3-552-05984-9, 22,00 Euro

Von Hans Klumbies