Die Freiheit kann für die Liebe zum Problem werden

„Freiheit“ ist spätestens seit den Zeiten der Aufklärung, seit Immanuel Kant also, eines der großen Worte der Gesellschaft, der Moral und der Politik. Peter Trawny nennt ein Beispiel: „Als erster Begriff der Triade „Liberté, Egalité, Fraternité“ hat sie die Französische Revolution angeführt.“ So ist es auch kein Wunder, dass das Wort ganz am Beginn der Präambel der Menschenrechtserklärung von 1948 auftaucht. Frei sein zu wollen ist heutzutage scheinbar ein derart banaler Wunsch, dass die meisten Menschen ihn für gewöhnlich gar nicht mehr thematisieren. Wenn die Freiheit bedroht zu sein scheint, ist die Empörung allerdings groß. Dabei ist der Begriff der Freiheit besonders in Form des feministischen Projekts immer noch höchst aktuell. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Die individuelle Freiheit ist ein wichtiger Faktor in der Ökonomie

Frauen haben vor allem außerhalb von Europa mit den größten Ungerechtigkeiten und Härten um ihre Selbstbestimmung zu kämpfen. Dabei geht es weniger um gerechte Löhne als um die Tatsache, dass Frauen von Männern auf grausamste Art und Weise ermordet werden. Peter Trawny weiß: „Die Männer Mexikos und Brasiliens spielen dabei eine schreckliche Rolle.“ Doch Freiheit gilt noch in anderen Bereichen des menschlichen Lebens als ein hohes Gut.

Die europäische Welt hat erkannt, dass sich die individuelle Freiheit auch in der Ökonomie verkörpern kann. Beinahe die ganze Welt ist inzwischen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kapitalismus oder andere liberale Wirtschaftsformen der prinzipiellen Freiheit des Menschen am besten entsprechen. Eva Illouz hat in ihren Büchern gezeigt, dass Befreiungsbewegungen die romantische Liebe beeinflusst und verändert haben. Die Liebe passt sich mehr und mehr den politischen und ideologischen Postulaten der Freiheit an und scheitert an dem, was sie ebenso begehrt, an Bindung und Sicherheit.

Viele Menschen lassen sich nicht mehr auf die Erfahrung der Leidenschaft ein

Das moderne Individuum ist prinzipiell unabhängig. Das heißt, individuell gerade dadurch, dass es sich nur auf sich selbst begründet. Gerade diese Unabhängigkeit ist für die Liebe problematisch zu erfassen. Viele Menschen haben zahlreiche Strategien entwickelt, um mit der Zerbrechlichkeit und Austauschbarkeit von Beziehungen umzugehen. Dabei rauben viele Aspekte der zeitgenössischen Kultur dem Selbst die Fähigkeit, sich auf die volle Erfahrung der Leidenschaft einzulassen und sie zu leben.

So können sie zudem den Zweifeln und Unsicherheiten widerstehen, mit denen der Prozeß des Liebens und des Bindens einhergeht. Es sei, wie Eva Illouz sagt, ein „Freiheitskult“, der den modernen Menschen von den katastrophalen Folgen einer gescheiterten Liebe beschützt. Diese Individuen betrachten sich ohnehin als ungebunden. Das geht allerdings mit der Unfähigkeit einher, eine wirkliche Liebesbindung einzugehen. Heute „tue Liebe anders weh“ als noch im 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny

Von Hans Klumbies