Gute Eliten dienen den anderen

Gute Regierungen dienen den Regierten, schlechte Regierungen dienen sich selbst. Oder – frei nach William Shakespeare – dienen oder sich bedienen: Das ist hier die Frage. Katja Gentinetta stellt fest: „Mit diesen wenigen Sätzen ist das Qualitätskriterium für Eliten eigentlich schon umrissen. Platon hat es formuliert, Aristoteles hat es ausgeführt und systematisiert.“ Genauso gilt: Gute Eliten dienen den anderen beziehungsweise allen, schlechte Eliten dienen sich selbst. Nach der Wahrnehmung von Katja Gentinetta ist dieses Kriterium weitgehend außer Blick geraten, ja verloren gegangen. Aktuell herrscht eine „Gleichmachergesellschaft“, die zwar begrüßenswerter Weise ein Produkt der fortschreitenden Demokratisierung ist, jedoch zu Überschießen neigt. Dieser Entwicklung ist es geschuldet, dass ein Qualitätskriterium für Eliten weitgehend verschwunden ist. Dr. Katja Gentinetta ist Politikphilosophin, Publizistin und Lehrbeauftragte an den Universitäten St. Gallen, Zürich und Luzern.

Es gibt keine Gesellschaft ohne Eliten

Stattdessen dominiert eine ideologisch motivierte Kritik an ihr: Weil alle gleich sind, kann es keine Eliten geben. Wenn es sie dennoch gibt, dann ohne eigentliche Existenzberechtigung, geschweige denn Legitimation. Womit sich jede qualifizierte Kritik an ihr erübrigt. Katja Gentinetta weiß: „Nur: Es gibt keine Gesellschaft ohne Eliten. Es kann sie nicht geben, weil wir nicht alle gleich sind und auch nicht gleich werden, geschweige denn gleich gemacht werden können.“

Es gab immer Eliten, es gibt heute Eliten, und es wird sie immer geben. Eine Elitenkritik, die im Kern auf ihrer Negation beruht, schießt deshalb ins Leere. Fruchtbarer und angemessener wäre es, auf das alte Qualitätskriterium zu setzen, wenn es um die Beurteilung von Eliten geht: Wem dienen sie: sich selbst oder den anderen? Aristoteles hat ein zentrales Kriterium für gute Politik entwickelt: „Soweit also die Verfassungen das Gemeinwohl berücksichtigen, sind sie im Hinblick auf das schlechthin Gerechte richtig.“

Die Armen richten den Staat zugrunde

Aristoteles fährt fort: „Diejenigen aber, die nur das Wohl der Regierenden im Auge haben, sind allesamt verfehlt und weichen von den richtigen Verfassungen ab.“ Eine gute Regierung dient also nicht sich selbst, sondern den Regierten, unter ihnen vor allem den Schwachen, nicht den Starken. Aristoteles stellt der Monarchie als der guten Alleinherrschaft die Tyrannei gegenüber. Der Aristokratie als der guten Herrschaft der Wenigen stellt er die Oligarchie gegenüber.

Im dritten Regierungspaar steht der Politie als gute Herrschaft aller die Demokratie als schlechte Regierungsform gegenüber. Aristoteles meinte mit der Demokratie nicht einfach die Herrschaft des Volkes, sondern präziser, die Herrschaft der Armen, welche die Tüchtigen ausbeuten und damit den Staat zugrunde richten. Katja Gentinetta fühlt sich dabei an die Forderung eines bedingungslosen Grundeinkommens erinnert. Eine Demokratie kann sich auch dadurch auszeichnen, dass die Beschlüsse der Mehrheit über allem stehen und es keine gesetzlichen oder verfassungsmäßigen Schranken gibt, oder dass die Menge und nicht das Gesetz herrscht. Quelle: „Eliten in der Politik: Wem dienen Sie?“ von Katja Gentinetta in Philosophicum Lech Nr. 23, „Die Werte der Wenigen“

Von Hans Klumbies