In Pisa übernahmen Konsuln die Macht

Während die Aristokraten-Händler mit ihren Schiffen ausschwärmten, vollzog sich in Pisa ein politischer Wechsel von epochaler Bedeutung. Zwischen 1081 und 1085 traten dort erstmals Konsuln als oberste Herrschaftsträger auf, und zwar im Namen der Kommune. Diese erklärte sich für politisch unabhängig, ohne damit ihre Zugehörigkeit zum Königreich Italien und damit zum Heiligen Römischen Reich zu leugnen. Volker Reinhard weiß: „Im Gegenteil: In den nachfolgenden Jahrhunderten sollte Pisa die römischen Könige auf ihrem Weg zur Kaiserkrönung in Rom unterstützen. Auf diese Weise wollte sich die Stadt gegen die immer bedrohlichere Konkurrentin Florenz behaupten. Innerhalb ihrer Stadtmauern und in dem von der Stadt unterworfenen Landgebiet, erkannte die Kommune Pisa jetzt keine anderen Herren mehr über sich an. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

Italiens Städte werden politisch selbstständig

Dem geistlichen Oberhirten blieben nur noch hochtönende Titel und Ehrenvorrechte ohne politische Kompetenzen. Denselben Weg in die politische Selbstständigkeit beschritten um das Jahr 1100 fast alle wichtigeren Städte Nord- und Mittelitaliens. Volker Reinhardt erläutert: „Auch sie wurden von Adeligen geführt und etablierten ähnliche Institutionen wie Pisa.“ Unterschiedlich fiel vor allem die Haltung zum Reich und seinem Oberhaupt, dem Kaiser, aus.

Dafür waren allerdings weder ideologische oder gar nationale Gründe, als vielmehr Rivalitäten um regionale Hoheit und Einflusszonen ausschlaggebend. Die adeligen Gründerfamilien hatten in der neu geschaffenen Stadtrepublik ein Jahrhundert lang das Sagen. Sie mussten jedoch die politischen Spitzenpositionen schon früh mit Aufsteigern weniger prominenter Herkunft teilen. In Pisa taten sich vor allem Notare in Führungsämtern hervor. Dies war ein untrügliches Zeichen dafür, wie sehr man die städtische Verwaltung verschriftlichte und verrechtlichte.

Im 12. Jahrhundert boomt die Konjunktur in Italien

Volker Reinhard stellt fest: „Die Konsuln wurden von einem kommunalen Rat für ein Jahr gewählt. Ihre Zahl schwankte häufig, denn noch befanden sich die Verfassung und ihre Organe im Experimentierstadium.“ Mit dem Gründungsakt der Kommune öffnete man dem politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandel Tür und Tor. Die Gründungsväter waren sich dieser revolutionären Tat allerdings überhaupt nicht bewusst. Eine seit Längerem sozial und wirtschaftlich dominierende Elite hatte nun auch die politischen Zügel in die Hand genommen.

Mit diesem Schritt war zugleich ein Präzedenzfall für die Zukunft geschaffen. Wenn neue Familien nichtadeligen Ursprungs die alte Führungsschicht ökonomisch einholten, würden auch sie Mitregierungsansprüche anmelden. Oder sie würden sogar den Löwenanteil der Macht für sich reklamieren, wenn sie die alte Führungsschicht ökonomisch überflügelt hatten. Eine solche Entwicklung zeichnete sich im 12. Jahrhundert mit seiner boomenden Konjunktur und seiner Bevölkerungszunahme immer mehr ab. Quelle: „Die Macht der Schönheit“ von Volker Reinhardt

Von Hans Klumbies