Es gibt ein besonders hartnäckiges Hindernis auf dem Weg zum elitären Dasein. Für Ayn Rand ist es das allzu menschliche Streben nach Anerkennung durch andere. Insbesondere gehört dazu, der sich aus innerer Schwäche oder auch Leere speisenden Drang, anderen gefallen zu wollen. Oder von diesen gelobt oder gar geliebt zu werden. Ayn Rand sieht, soweit es das Ideal wahrer Selbstbestimmung betrifft, die gesamte Sphäre anderer Menschen als eine Sphäre der notwendigen Deformation, Korrumpierung und Unterdrückung an. Wolfram Eilenberger fügt hinzu: „Und wahrhaft elitär ist also nur derjenige, dem es gelingt, sich im Dialog mit der besseren Version des je eigenen Selbst konsequent aller Anerkennungssehnsüchte zu entsagen.“ Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie im Schweizer Fernsehen.
Ayn Rand beschreibt die Dynamik der Selbstverformung
Viele Menschen kennen sie ja nur zu gut aus eigener Erfahrung: gängigste und alltäglichste Formen der sozial bewirkten Selbstunterwanderung. Ein Beispiel dafür ist die Pöstchenvergabe jenseits von Qualifikation und Wert. Auch die eher institutionalisierten Urteilsdeformierungen sind den meisten Menschen sehr wohl bekannt. Wolfram Eilenberger zählt dazu das Meeting, das Gremium und die Jury. In ihnen gehen praktisch notwendige Zwänge zum Kompromiss, zum Ausgleich und zur Repräsentativität einher.
Ayn Rand beschreibt in ihren Werken die Dynamik der Selbstverformung im Zeichen der Anderen mit großer Klarsicht und Präzision. Sie entwirft geradezu eine Phänomenologie der Selbstkorrumpierung – besonders in der modernen Arbeitswelt. Sie zeigt aber auch, was mit Menschen geschieht, die sich aus dem elitären Bedürfnis auf autonomen Selbsterhalt der Teilnahme an diesem Deformationsspiel verweigern. Dann ist elitärer Individualismus am Werk. Bei Ayn Rand sind es nicht die Vielen, die streiken, sondern die Wenigen der wahren Elite.
Ayn Rand spricht von einem Zeitalter des Neides
Als besonders fein erweist sich Ayn Rands narrative Entlarvungskunst, wenn es darum geht, die Perspektive zu wechseln. Dabei legt sie frei, welche psychologischen Effekte die schlichte Existenz elitärer Individualisten in all den anderen hervorruft. Ayn Rand legt den Akzent dabei auf eine besonders verquere Form des Ressentiments oder auch des Neids. Dieser besteht darin, dass Menschen andere Menschen in der Regel genau dann am stärksten hassen und am intensivsten bekämpfen, wenn diese idealtypisch Werte, Talente und Taten verkörpern, die diesen Hasserfüllten selbst unbedingt erstrebenswert erscheinen.
Diese Menschen hassen dann also das Gute um des Guten willen. Sie bekämpfen das Tugendhafte um deren Tugend willen, das von anderen Erreichte um des selbst Erträumten willen, die Elite ob des Elitären. Ayn Rand hält diese Disposition für die eigentliche Dominante einer modernen Informationsgesellschaft. Sie spricht in den fünfziger Jahren von einem Zeitalter des Neides, in dem vor allem Massenmedien daran beteiligt sind, diese niedrigste denkbare Disposition zu schüren, nivellierend anzuheizen und schließlich mobhaft zu mobilisieren. Quelle: „Die offenbare Elite und ihre Feinde“ von Wolfram Eilenberger in Philosophicum Lech, Band 23, „Die Werte der Wenigen“
Von Hans Klumbies