Es gibt einen Mythos der milden Diktatoren

„Kein Mensch bekämpft die Freiheit. Er bekämpft höchstens die Freiheit des anderen. Jede Art der Freiheit hat daher immer existiert, nur einmal als besonderes Vorrecht, das andere Mal als allgemeines Recht“, schrieb Karl Marx am 12. Mai 1842. Freiheit für alle oder nur für Wenige? Roger de Weck erklärt: „Die Wenigen schätzen eben die Freiheit für Wenige, weil sie riesengroß ist. Weil sie auf die Vielen keine Rücksicht nehmen müssen.“ Nicht nur in Italien hängen sie am Mythos der milden Diktatoren, da „ohne Ordnung keine Freiheit“. Im Handumdrehen ließen sich Konservative und Liberale von Autokraten einwickeln. Zum Beispiel als 1922 in Rom das bürgerliche Parlament Benito Mussolini eine Blankovollmacht erteilte. Er versprach eine „befreiende Gewalt“. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Die Demokratie hat sich als sehr widerstandsfähig erwiesen

Roger de Weck kritisiert: „Der Nationalismus befeuert den Verteilungskampf zwischen Partner und Nachbarn. Der Ultrakapitalismus bringt Umverteilung zugunsten von Reichen und Superreichen. Die Digitalisierung schafft Räume der Hemmungslosigkeit, sei es in den sozialen Medien, sei es in der Weltwirtschaft.“ Die triumphale Rückkehr der Rücksichtslosigkeit signalisiert, dass nicht nur der Zweite Weltkrieg, sondern schleichend auch die Nachkriegszeit in Vergessenheit gerät. Allerdings wirkt sie noch in die Gegenwart hinein. Europa hat bislang weder die soziale Marktwirtschaft vollends abgeschrieben noch die Evidenz verlernt, dass die Nation für die großen Probleme zu klein und für die kleinen Probleme zu groß ist, wie der Soziologe Daniel Bell schrieb. Und in vielen Ländern haben sich die bedrängten Institutionen der Demokratie als außerordentlich widerstandsfähig erwiesen. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Reaktionäre arbeiten mit Schuldzuweisungen

Autoritäre und Nationalisten transformieren die Politik in Narrative der Schuldzuweisung. Roger de Weck erläutert: „An allem sind alle anderen schuld, dieser Refrain erschallt von den USA bis Ungarn. Reaktionäre Politik braucht die Endlosschleife des Schmähens unguter Ausländer, unbelehrbarer Feinde, unfairer Kritiker, unfähige Eliten, unheimliche Drahtzieher.“ Andersdenkende sind automatisch Verräter, weil das neurechte Machtdenken einzig Loyale und Illoyale kennt, Gefügige und Schädlinge, Rückendeckung oder Dolchstoß. Und das hat die politische Sprache mit Hass erfüllt, aber solche Aggressivität scheint je länger, desto weniger zu entrüsten. „Der Hasser lehrt uns immer wehrhaft bleiben“, heißt es in Goethes Trauerspiel „Die natürliche Tochter“. Doch auch die Gleichgültigkeit ist ein Kind des Hasses. Der gesunde Schutzinstinkt gegen diese allenthalben erhältliche Droge schwindet – Hass-Dealer setzen bewusst auf diesen Gewöhnungseffekt. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Autoritäre brauchen fremde Feinde

Auch in Europa brauchen Autoritäre fremde Feinde, um ihren Autoritarismus zu rechtfertigen. Immer aus dem Ausland – in Gestalt von „Eurokraten“ und Migranten – brechen die Katastrophen herein. Roger de Weck ergänzt: „Um sie abzuwenden, ist eine Politik der harten Hand das Allheilmittel. Überrollen uns „islamische Invasoren“, drängt sich eine geistig-moralische Wende auf.“ Was in friedlichen Zeiten verboten war, gebietet nunmehr der Existenzkampf. Es ist nun an der Zeit, sich moralischen Bedenken zu entledigen. Das christliche Abendland braucht unbarmherzige Retter. Für den nüchternen Hanseaten Helmut Schmidt war Politik „pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken“. Für die Neue Rechte ist Politik die Freiheit der Macht. Helmut Schmidt verwarf gleichermaßen eine Moral ohne Politik und eine Politik ohne Moral. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Es herrscht ein großes Unbehagen in Europa

Der Streit über die politische Korrektheit ist der Kristallisationspunkt, an dem sich eine lose Verbindung verfestigt. Es handelt sich dabei um die Liaison der Reaktionäre mit dem hadernden Teil des Bürgertums, der in Krisenzeiten oft nach rechts driftet. Roger de Weck erläutert: „Indem sie das politisch Korrekte anprangern, können Autoritäre als Hüter der Freiheit auftreten. Konservative sich ein letztes Mal gegen die aussterbende Spezies der Weltverbesserer austoben. Und schwankende Sozialliberale doch noch zum rechten Zeitgeist finden.“ Den Reaktionären nützt es, dieses im Alltag der Europäer unerhebliche Phänomen zu einem Symbol des ganz großen Unbehagens aufzubauschen, als drücke allen das Joch einer Schreckensherrschaft. Das „Man darf ja gar nichts mehr sagen“ ist Teil der Agenda von Neurechten. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Die Demokratie wirkt manchmal ohnmächtig

Wie der Staat beugen sich auch viele Bürger dem Gesetz des Ultrakapitalismus. Dies geschieht aus Ohnmacht, Orientierungslosigkeit und Opportunismus. In den vergangenen vier Jahrzehnten boten die Demokratien keine realistische Alternative zu einer Politik, die sich halb resigniert, halb geschmeidig in den Dienst der Kapital- und Arbeitgeber stellte. Roger de Weck warnt: „Die liberale Demokratie wird jedoch undemokratisch, wenn sie stets den Sachzwängen einer Machtwirtschaft unterliegt, die sie nicht zu ordnen vermag.“ Ein bisschen mehr nach rechts, ein Spürchen nach links – die Wähler wählen, und dann entscheidet der Markt? Auf die Dauer spüren alle, dass in der Wirtschaftspolitik die Regierung tut, was eine andere Regierung auch täte. Die Franzosen sprechen hier vom Einheitsdenken. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Die liberalen Demokratien sind gefährdet

Mit Überzeugung und Selbstgewissheit hat das liberale Establishment den weltweiten Vormarsch des Ultrakapitalismus betrieben. Und dies unbeirrt durch alle Krisen hindurch, konsequent seit den siebziger Jahren. Dieses Unterfangen ist laut Roger de Weck gelungen. Trotzdem mündet es jetzt in ein doppeltes Fiasko: „Sowohl die liberale Wirtschaft als auch die liberale Demokratie sind weniger liberal geworden.“ Die Marktwirtschaft hat sich in eine Machtwirtschaft verwandelt. Zudem rütteln zwei Spielarten des Autoritarismus am Fundament liberaler Demokratien. Erstens die Willkürherrschaft der Reaktionäre. Zweitens die Geldherrschaft von Milliardären, sprich Plutokratie. Der Sieg der Neoliberalen bedrängt den Liberalismus und die Liberalität – eine fatale Erfolgsgeschichte. Im Kapitalismus hatte das Kapital seit je Vorrang vor andern Faktoren der Produktion. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Die Neue Rechte fordert die Altparteien heraus

Die Neue Rechte zieht Profit aus den Kalamitäten und Disparitäten, die jetzt die Gesellschaft kopfscheu machen. Roger de Weck erläutert: „Die Angstgesellschaft ist ihr Revier, von der Verunsicherung lebt sie. Sie nutzt und beschleunigt die Erosion der Glaubwürdigkeit traditioneller Parteien, die der Ultrakapitalismus zusehends überfordert.“ Ein Teil der Konzernwelt hat den Staat zur Flickbude degradiert, und die Regression der Politik zur Flickschusterei lädiert die Politiker. Umso leichter schleusen reaktionäre Parteien den Groll ihrer Klientele nur in die eine Richtung. Versagt haben einzig die Politik, die Demokratie, die Europäische Union – nie und nimmer das Wirtschaftssystem. Das Problem des Prekariats, das die Neue Rechte besonders umwirbt, sind nie Amazon und andere ausbeuterische Arbeitgeber, sondern die „Altparteien“. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Deregulierung nährt den Populismus

Im Zeichen des Neoliberalismus hatten westliche Demokratien die Bankenwelt dereguliert. Roger de Weck fügt hinzu: „2008 mussten sie aber – da eine Katastrophe drohte und es keinen Ausweg gab – Milliardenverluste schultern.“ Seither bedrückt viele Bürger ein halb bewusstes, halb unterschwelliges Gefühl demokratischer Ohnmacht. Die Harvard-Ökonomen Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff haben Dutzende Bankenkrisen untersucht. Das Bankwesen solle man aggressiv regulieren. Denn sonst entflamme die Spekulation, die in Verwerfungen resultiere, empfehlen sie. Nach 2008 folgte man ihrem Rat. Aber nur kurze zehn Jahre lang und auch nur für die Geschäftsbanken. Nicht für das riesige „Schattenbankensystem“ der Fonds und Vermögensverwalter wie Blackrock. Von Neuem deregulierte nun Donald Trump die amerikanischen Banken, obwohl viele von ihnen zu wenig flüssige Mittel haben und zuweilen Geldspritzen der Federal Reserve benötigen. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Ökologie ist das Nichtthema der Reaktionären

In der reaktionären Welt fehlt die Umwelt. Keine neurechte Partei befasst sich ernsthaft mit Umweltpolitik. Dabei hängen sie einem fatalen Irrglauben an: Weil es gestern keine gab, ist heute keine nötig. Roger de Weck kritisiert: „Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro und sein amerikanischer Kollege Donald Trump bilden eine Achse der Kaputtmacher. Sie bestärken einander darin, schlimme Klima- und Umweltschäden in Kauf zu nehmen.“ Für die beiden Präsidenten zählt nur die Ökonomie, an der Ökologie haben sie keinerlei Interesse. Europäische Reaktionäre üben da mehr Vorsicht, weil auch ein Teil ihrer Wählerschaft ergrünt. Dennoch gilt auch hier: „Blut und Boden“, das Blut soll rein bleiben, aber der Boden darf verseucht werden. Ökologie ist das Nichtthema der Reaktionäre. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Roger de Weck beschreibt die Kraft der Demokratie

Überall auf der Welt bedrängt der Autoritarismus demokratische Gesellschaften. Doch warum bleiben Liberale und Linke so defensiv? Die Schwäche der Demokraten ist viel gefährlicher als die Lautstärke der Reaktionäre, warnt Roger de Weck in seinem neuen Buch „Die Kraft der Demokratie“. Er beschreibt Methoden und Schwachstellen der Rechten. Der Autor ist fest davon überzeugt, dass man sie sehr wohl stoppen kann in ihrem Kulturkampf wider die Liberalität. Im letzten Kapitel seines Buchs macht der dazu zwölf ganz konkrete Vorschläge. Die liberale Demokratie wurde zum dem Zweck geschaffen, für die Stärke des Rechts zu sorgen, wider das Recht des Stärkeren. Doch mittlerweile sehnen sich viele Menschen wieder nach dem „starken Mann“. Sie huldigen ihm, solange er anmaßend und aggressiv auftritt. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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