Der klassische Terrorismus hatte zwei Ausprägungen

Den „klassischen“ Terrorismus hat es in Europa seit dem 19. Jahrhundert gegeben. Er hatte vor allem zwei Ausprägungen. Nämlich eine sozialrevolutionäre Variante, wie sie im zaristischen Russland entstanden ist, und eine nationalseparatistische, etwa im Baskenland in Form der Untergrundorganisation ETA. Diese kämpfte mit Gewalt für eine Abspaltung der nordspanischen Region vom Mutterland. Edgar Wolfrum ergänzt: „Was des einen Terrorist war, war oftmals des anderen Freiheitskämpfer.“ Seit den 1970er Jahren kam eine äußerst gewalttätige Variante hinzu. Zum Beispiel in Gestalt der deutschen „Roten Armee Fraktion“ (RAF) oder den italienischen „Brigate Rosse“. Oft verbanden sich diese Gruppierungen mit dem internationalen Terrorismus der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Gewaltakte und Morde zielten auf herausgehobenen Personen der politischen Klasse oder der gesellschaftlichen Elite. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

Der Terrorismus erklärte dem Westen den Krieg

Die betroffenen Länder setzten alles daran, potenzielle Ziele der Terroristen zu schützen. Edgar Wolfrum weiß: „Seit den Terroranschlägen von 9/11 im Jahr 2001 wandelte sich der internationale Terrorismus fundamental. Er war nun in erster Linie islamistisch begründet, und die Angriffe kennzeichnete, dass ihnen wahllos jeder Mensch zum Opfer fallen konnte.“ Ziele konnten nicht mehr umfassend geschützt werden. Dieser Terror wollte sichtbar sein, die Bilder der Anschläge sollten sich in die Köpfe der Menschen einbrennen.

Die Bilder sollten im Alltag Angst verbreiten und damit die freiheitlichen Gesellschaften destabilisieren. Es war eine Kriegserklärung islamistischer Organisationen an den gesamten Westen, die auch eine tief empfundene, Jahrhunderte dauernde Demütigung zur Grundlage hatte. Der Westen seinerseits reagierte, indem er seit 2001 die Taliban in Afghanistan oder seit 2014 den selbst ernannten „Islamischen Staat“ in Syrien militärisch bekämpfte. Keinesfalls durfte er jedoch in die Falle der Islamisten tappen.

Die BRD war auf den neuen Terrorismus nicht vorbereitet

Edgar Wolfrum erklärt: „Diese zielten darauf, dass der Westen eine Feindeserklärung gegen alle Muslime aussprach, auch gegen jene, die in den westlichen Gesellschaften lebten.“ Würde ein solcher erfolgen, so das Kalkül des „Islamischen Staates“, könnte die Organisation mit Millionen von Unterstützern rechnen. War die Bundesrepublik Deutschland auf diesen neuen Terrorismus überhaupt vorbereitet? Sämtliche Erfahrungen, über die Deutschland in der Anti-Terror-Politik verfügte, entsprangen der Bekämpfung des Terrorismus der RAF in den 1970er Jahren.

Der RAF-Terrorismus erschien nun allerdings tatsächlich wie ein Szenario aus dem vergangenen Jahrhundert. Die Dimension der aktuellen Bedrohung 30 Jahre später erforderte ganz neue und vermutlich ganz andere Methoden. Man war sich nicht einmal im Klaren darüber, wie viele Anhänger islamistischer Terrororganisationen im Verborgenen agierten. Man wusste auch nicht, welche Pläne für weitere Terrorakte bereits existierten und wie man diesem neuen Risiko überhaupt wirksam gegenübertreten konnte. Quelle: „Der Aufsteiger“ von Edgar Wolfrum

Von Hans Klumbies