Die Digitalisierung beendet das Ding-Paradigma

Die industrielle Revolution verfestigt und erweitert die Dingsphäre. Sie entfernt die Menschen von der Natur und vom Handwerk. Byung-Chul Han betont: „Erst die Digitalisierung beendet das Ding-Paradigma. Sie unterwirft die Dinge den Informationen. Hardwares sind devote Unterlagen der Softwares. Sie sind sekundär gegenüber Informationen. Ihre Miniaturisierung lässt sie immer weiter schrumpfen.“ Das Internet der Dinge macht diese zu Informationsterminals. Der 3D-Drucker erweitert die Dinge in ihrem Sein. Sie werden zu materiellen Derivaten der Information degradiert. Was wird aus Dingen, wenn sie von Informationen durchdrungen werden? Die Informatisierung macht aus Dingen „Infomate“, nämlich Akteure, die Informationen verarbeiten. Das Auto der Zukunft wird kein Ding mehr sein, mit dem sich Phantasmen von Macht und Besitz verbinden. Byung-Chul Han ist ein koreanisch-deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Autor. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Die heutige Menschheit lebt in einer Infosphäre

Das Auto der Zukunft wird ein mobiles Verteilungszentrum von Informationen sein, eben ein „Infomat“, das mit dem Fahrer kommuniziert. Martin Heideggers Daseinsanalyse von „Sein und Zeit“ bedarf einer Revision, die der Informatisierung der Welt Rechnung trägt. Heideggers „In-der-Welt-sein“ vollzieht sich als „hantierender Umgang“ mit den Dingen, die entweder „vorhanden“ oder „zuhanden“ sind. Die Hand stellt eine zentrale Figur der Heideggerschen Daseinsanalyse dar.

Martin Heideggers „Dasein“ erschließt sich die Umwelt mittels der Hand. Seine Welt ist die Dingsphäre. Die heutige Menschheit lebt jedoch in einer Infosphäre. Byung-Chul Han erklärt: „Wir hantieren nicht an den Dingen, sondern wir kommunizieren und interagieren mit den Infomaten, die selbst als Akteure agieren und reagieren.“ Der Mensch ist nun kein „Dasein“, sondern ein „Inforg“, der kommuniziert und Informationen austauscht. Im Smartphone werden die User von Infomaten umsorgt.

Infomaten erledigen für die Menschen jede Besorgung

Sie erledigen für die Menschen jede Besorgung. Sein Bewohner ist ganz ohne Sorge. Das Ziel der digitalen Ordnung ist wohl die Überwindung der Sorge, die Martin Heidegger als Wesenszug der menschlichen Existenz begreift: „Dasein ist Sorge.“ Die künstliche Intelligenz ist heute dabei, die menschliche Existenz ganz zu entsorgen. Denn sie nimmt eine Optimierung des Lebens vor und schafft die Zukunft als Quelle der Sorge ab. Die berechenbare Zukunft als optimierte Gegenwart bereitet den Menschen keine Sorge mehr.

Byung-Chul Han stellt fest: „Kategorien der Heideggerschen Daseinsanalyse wie „Geschichte“, „Geworfenheit“ oder „Faktizität“ gehören alle zur terranen Ordnung.“ Informationen dagegen sind additiv und nicht narrativ. Sie sind zählbar, aber nicht erzählbar. Als diskontinuierliche Einheiten mit kurzer Aktualitätsspanne fügen sie sich nicht zu einer Geschichte zusammen. Auch der menschliche Gedächtnisraum gleich immer mehr einem Speicher, der mit Massen von allen möglichen Informationen vollgestopft ist. Quelle: „Undinge“ von Byung-Chul Han

Von Hans Klumbies