Das Smartphone erweist sich als mobiles Arbeitslager, in dem sich viele Menschen freiwillig einsperren. Das Smartphone ist ferner ein „Pornophone“. Byung-Chul Han erklärt: „Wir entblößen uns freiwillig. So funktioniert es wie ein mobiler Beichtstuhl. Es setzt die sakrale Herrschaft des Beichtstuhls in einer anderen Form fort.“ Jede Herrschaft hat ihre eigenen Devotionalien. Der Theologe Ernst Troeltsch spricht von den „die Volksphantasie fesselnden Devotionalien“. Sie stabilisieren die Herrschaft, indem sie sie habitualisieren und im Körper verankern. Devot heißt unterwürfig. Das Smartphone etabliert sich als Devotionalie des neoliberalen Regimes. Als Apparat der Unterwerfung gleicht es dem Rosenkranz, der genauso mobil und handlich ist wie das digitale Gadget. „Like“ ist das digitale Amen. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.
Die smarte Macht macht abhängig und süchtig
Während die User auf den Like-Button klicken, unterwerfen sie sich dem Herrschaftszusammenhang. Plattformen wie Facebook oder Google sind die neuen Lehensherren. Byung-Chul Han stellt fest: „Unermüdlich beackern wir ihr Land und stellen kostbare Daten her, die sie dann ausschlachten. Wir fühlen uns frei, obwohl wir komplett ausgebeutet, überwacht und gesteuert werden. In einem System, das die Freiheit ausbeutet, formiert sich kein Widerstand. Die Herrschaft vollendet sich in dem Moment, in dem sie mit der Freiheit zusammenfällt.“
Das neoliberale System ist selbst smart. Die smarte Macht arbeitet nicht mit Geboten und Verboten. Sie macht uns nicht gefügig, sondern abhängig und süchtig. Statt den Willen der Menschen zu brechen, bedient sie ihre Bedürfnisse. Sie will den Menschen gefallen. Sie erlegt ihnen kein Schweigen auf. Byung-Chul Han ergänzt: „Vielmehr werden wir permanent dazu aufgefordert und angeregt, unsere Meinungen, Vorlieben, Bedürfnisse und Wünsche zu teilen, mitzuteilen, ja unser Leben zu erzählen.“
Das Smartphone stellt ein Übergangsobjekt dar
Die Herrschaftsabsicht der smarten Macht ist nicht sichtbar, denn sie kommt ganz freundlich, eben smart daher. Das unterworfene Subjekt ist sich nicht einmal seiner Unterworfenheit bewusst. Es wähnt sich in Freiheit. Der Kapitalismus vollendet sich im Kapitalismus des Gefällt-mir. Aufgrund seiner Permissivität braucht er keinen Widerstand, keine Revolution zu befürchten. Angesichts der fast symbiotischen Beziehung vieler Menschen zum Smartphone nimmt man inzwischen an, dass es ein Übergangsobjekt darstellt.
Übergangsobjekt nennt der Psychoanalytiker Donald Winnicott jene Dinge, die dem Kleinkind einen gesicherten Übergang zur Realität möglich machen. Byung-Chul Han fügt hinzu: „Übergangsobjekte bauen eine Brücke zur Realität, zum Anderen, der sich seiner infantilen Allmachtsfantasie entzieht.“ Übergangsobjekte können beispielsweise eine Puppe oder ein Stofftier sein und erfüllen eine lebenswichtige Funktion. Sie vermitteln dem Kind ein Gefühl der Sicherheit. Sie nehmen ihm die Angst vor dem Alleinsein. Sie schaffen Vertrauen und Geborgenheit. Quelle: „Undinge“ von Byung-Chul Han
Von Hans Klumbies