Das Smartphone verleiht ein Gefühl der Freiheit

Zu Beginn seiner Laufbahn umgab sich das Telefon mit der Aura einer schicksalhaften Macht. Sein Dröhnen war ein Befehl, dem man sich ergab. Medium ist Botschaft. Das Handy, dass die meisten Menschen heute mit sich herumtragen, besitzt nicht die Schwere des Schicksals. Es ist handlich und leicht. Byung-Chul Han fügt hinzu: „Wir haben es im wörtlichen Sinne im Griff. Das Schicksal ist jene fremde Macht, die uns immobilisiert. Auch die Botschaft als Stimme des Schicksals gewährt uns wenig Freiraum. Schon die Mobilität des Smartphones gibt uns ein Gefühl der Freiheit.“ Sein Läuten erschreckt niemand. Nichts am Mobiltelefon zwingt einen Menschen zur hilflosen Passivität. Niemand ist der Stimme des Anderen ausgeliefert. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Das Mobiltelefon verstärkt die Selbstbezogenheit

Das ständige Herumtippen und -wischen auf dem Smartphone ist eine fast liturgische Geste, die sich massiv auf das Verhältnis zur Welt auswirkt. Informationen, die einen nicht interessieren, wischt man schnell weg. Inhalte hingegen, die einem gefallen, zoomt man mit den Fingern heran. So hat man scheinbar die ganze Welt im Griff. Die Welt hat sich ganz nach dem Benutzer des Smartphones zu richten. So verstärkt das Mobiltelefon die Selbstbezogenheit. Herumtippend unterwirft man die Welt seinen Bedürfnissen.

Die Welt erscheint auf dem Handy im digitalen Schein totaler Verfügbarkeit. Der Tastsinn ist, so Roland Barthes, „unter allen der am stärksten entmystifizierende, im Gegensatz zum Gesichtssinn, der der magischste ist“. Das Schöne im empathischen Sinne ist unberührbar. Es gebietet Distanz. Angesichts des Erhabenen tritt man ehrfürchtig zurück. Beim Bebet faltet man die Hände. Der Tastsinn ist distanzvernichtend. Er ist nicht fähig zum Staunen. Er entmystifiziert, entauratisiert und profanisiert sein Gegenüber.

Der Zeigefinger macht alles konsumierbar

Byung-Chul Han stellt fest: „Der Touchscreen hebt die Negativität des Anderen, des Unverfügbaren auf. Es generalisiert den haptischen Zwang, alles verfügbar zu machen. Im Zeitalter des Smartphones unterwirft sich selbst der Gesichtssinn dem haptischen Zwang und verliert seine magische Seite.“ Ihm kommt das Staunen abhanden. Das distanzvernichtende, konsumierende Sehen nähert sich dem Tastsinn und entweiht die Welt. Ihm erscheint sie nur noch in ihrer Verfügbarkeit.

Der herumtippende Zeigefinger macht alles konsumierbar. Der Zeigefinger, der Waren und Essen bestellt, überträgt seinen konsumistischen Habitus zwangsläufig auf andere Bereiche. Byung-Chul Han ergänzt: „Alles, was er berührt, wird warenförmig. Bei „Tinder“ degradiert er den Anderen zum Sexualobjekt. Seiner Andersheit beraubt wird auch der Andere konsumierbar.“ In der digitalen Kommunikation ist der Andere immer weniger präsent. Mit dem Smartphone zieht man sich in eine Blase zurück, die einen vom Anderen abschirmt. Quelle: „Undinge“ von Byung-Chul Han

Von Hans Klumbies