Im zwanzigsten Jahrhundert beschleunigte sich jede Entwicklung

Der Beginn des 20. Jahrhunderts war von großem Optimismus für die Zukunft bestimmt. Die Euphorie entstand aus dem Gefühl der gewaltigen Beschleunigung jeglicher Entwicklung, die für das neue Jahrhundert so typisch werden sollte. Der Fortschritt löste sich wie eine Kettenreaktion vom geplanten Wollen, entzog sich jeder möglichen Kontrolle und begann blindlings ein nicht erkennbares Ziel anzusteuern, ohne dass die Frage, wie das wohl dem Menschen bekommen würde, hätte beantwortet werden können. Dem Menschen gilt dann auch im zunehmenden Maße die Sorge der Gegenwart, seinem Menschsein und Mensch bleiben können in einer entfremdeten Umwelt, deren Schöpfer er selbst ist. Große Gefahren lauern in der möglichen Selbstzerstörung durch den hemmungslosen Verbrauch und Verschleiß der menschlichen Lebensgrundlagen sowie im übermütig, fahrlässigen Umgang mit den Urkräften der Natur, die der Mensch im 20. Jahrhundert freizusetzen lernte.

Die methodische Arbeit in der Forschung wurde perfektioniert

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts sind die großen Hoffungen der Fortschrittsgläubigen einer tiefen Skepsis gewichen. Der Wandel, der sich in Wissenschaft und Technik in einem wahnsinnigen Tempo vollzog, ist zu einem Sachprozess geworden, der im Dienst großer Interessengruppen steht. Der Krieg, egal ob er heiß oder kalt geführt wird, fördert den Begriff des Fortschritts rücksichtslos, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich dabei um Rivalitätsgedanken zwischen Firmen oder Mächten handelt.

Die oft von Glück und Zufall mitbestimmten Leistungen eines Einzelnen bei früheren Erfindertaten haben in diesem System keinen Platz mehr. Naturwissenschaft und Technik gingen mit der Produktion eine funktionelle und rationelle Symbiose ein, in der jeder Faktor von anderen zutiefst abhängig ist. Die methodische Arbeit in der Forschung in ihrer spezifisch europäischen Prägung wurde im 20. Jahrhundert perfektioniert und zur Institution erhoben. Niemals je zuvor ist die Wissenschaft so bestimmend in alle Bereiche eingedrungen.

Vor allem die Physik löste sich von vertrauten Denkmodellen

Selbst der allerbanalste Vorgang, die einfachste Planung berief sich jetzt überzeugt auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Gegebenes kann nicht mehr einfach nur so hingenommen werden, es muss auf seine Grundlagen und Ursachen untersucht und durchleuchtet werden. Die Änderung der Voraussetzungen und die damit verbundene Notwendigkeit, sich von vertrauten Denkmodellen zu lösen, setzte am deutlichsten in der Physik ein, als Max Planck im Jahr 1900 die Quantentheorie entwickelte, und sie schritt mit Albert Einsteins Relativitätstheorie von 1905 rasch und stetig voran.

Besonders schwerwiegend war dabei die Abkehr vom Anschaulichen, Greifbaren, die Wendung zur Abstraktion und Mathematisierung, ein Trend, der sich auch andere Wissenschaften wie die Ökonomie, die Soziologie und die Geisteswissenschaften angeschlossen haben. Verwandt ist damit letztlich auch die Bereitschaft der Kunst, ihren Gegenstand ohne Vorurteile zu erfassen, wie es die abstrakte Malerei und die atonale Musik anstreben. Es ist eine Art von Laboratoriumsarbeit, die auf alle Sektoren übergreift.

Von Hans Klumbies