Der Homo sapiens steht vor dramatischen Umbrüchen

Während die Industriegesellschaft materiell auf dem fossilen Brennstoff beruhte, wurde sie moralisch von den christlich-antiken Tugenden befeuert, die eine disziplinierte Arbeitsgesellschaft hervorbrachte. Zwei Ressourcen – das Öl und die Tugenden –, die sich nun scheinbar erschöpfen. Reimer Gronemeyer ergänzt: „Vor uns die vielen Krisen, vom globalen Klimawandel bis zur weltweit anschwellenden Migration. Vor uns dramatische Umbrüche: Künstliche Intelligenz und Automatisierung, Algorithmierung des Alltags und Menschenverbesserung.“ Auf dem Programm steht die Optimierung des Homo sapiens zum Einzelkämpfer mit perfektionierter DNA. Eingehüllt in eine digitale Schutzweste, wird wohl nur noch seine Seele durch Softwareprogramme abgelöst werden müssen. Was da jetzt designt wird, ist eine neue Kreatur, welche die Koalition zwischen Industriegesellschaft und alten Tugenden überwunden haben wird. Reimer Gronemeyer ist seit 1975 Professor für Soziologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, wo er 2018 zum Ehrensenator ernannt wurde.

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Georg Simmel analysiert das Großstadtleben

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts analysierte der Soziologe und Philosoph Georg Simmel das Großstadtleben und erkannte darin die spezifischen Anzeichen der Moderne. Isabella Guanzini erläutert: „In seinem kleinen Text „Die Großstädte und das Geistesleben“ von 1903 analysiert Georg Simmel die radikalen Veränderungen von Empfindung und Wahrnehmung der Individuen, die in der Großstadt leben, um zu verstehen, was die Seele der Stadt auf individueller und überindividueller Ebene ausmacht.“ Die charakteristische psychische Veränderung des modernen Individuums sieht Georg Simmel in der „Steigerung des Nervenlebens“, die aus raschen und ununterbrochenen Wechsel äußerer und innerer Eindrücke hervorgeht. Das Großstadtleben ist eine Zusammenballung emotionaler Reize, die Aufmerksamkeit fordern und ständig auf die subjektive Seele einstürmen, die sie verarbeiten und auf sie reagieren muss. Isabella Guanzini ist Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Graz.

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Geld macht einsam

Dass Geld einsam macht, wurde vielfach in Studien nachgewiesen. Denkt man an Geld, ist man weniger hilfsbereit ersucht andere weniger um Hilfe. Manfred Spitzer betont: „Der Gedanken an Geld aktiviert das genaue Gegenteil von Gemeinschaft, nämlich Eigennutz und Egoismus.“ Will jemand Geld ausgeben, um seiner Einsamkeit entgegenzuwirken – man spricht zuweilen auch von „Frustkäufen“ – so sollte man folgende Dinge beachten: Nur wenn man das Geld für andere ausgibt, bessert sich das eigene Befinden. Auf die Menge kommt es nicht an. Das Geld nicht für Sachen ausgeben, sondern für Erlebnisse. Denn Sachen stehen herum und brauchen Platz; man muss sie aufräumen, sich um sie kümmern, und dennoch verstauben oder verrosten sie und gehen kaputt. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.

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Korfu ist die beliebteste Ferieninsel des ionischen Archipels

Hans-Peter Siebenhaar beschreibt in der Einleitung im komplett überarbeiteten und aktualisierten Reiseführer „Korfu“ wie seine Begeisterung zu dem Eiland geweckt wurde. Vor dreißig Jahren besuchte er das Bergdörfchen Pélekas. Bei einer Morgenwanderung breitet sich unter einem strahlend blauen Himmel Korfu vor ihm aus. Es war Liebe auf den ersten Blick. Inzwischen hat er die Insel im Ionischen Meer unzählige Male besucht, ist an den Hängen des mächtigen Inselberges Pantokrátor gewandert, durch uralte Olivenhaine spaziert, hat die malerischen Gassen der Inselhauptstadt erkundet und sich an weitläufigen Sandstränden in das türkisfarbene Meer gestürzt. Dabei hat er Korfu als eine großartige Insel am westlichen Rand Griechenlands mit seiner großartigen Natur und seinen liebenswürdigen Menschen kennengelernt. Auch und vor allem abseits der ausgetretenen Touristenpfade.

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Die Religion ist der gefährlichste Feind des freien Denkens

Die unstillbare Sehnsucht nach Reinheit, gefährlichste Feindin freien Denkens, ist die Obsession des Religiösen zu allen Zeiten in allen Kulturen – schon deshalb, weil Religion gewöhnlich auf Absolutes, Immaterielles und damit eben auch Reines zielt. In Krisenzeiten wird der Wunsch nach Reinheit besonders drängend. Bernd Roeck stellt fest: „Gereinigt durch die Taufe beginnen Christinnen und Christen ihr Leben; durch Buße reinigen sie sich im Inneren. Sich Gott zu nähern verlangt Reinheit, vom Priester wie vom Gläubigen. Am Ende helfen Sterbesakramente bei letzter Säuberung.“ Noch nach dem Tod vollzieht das Fegefeuer – jene furchterregende Erfindung der Kirchenväter – eine allerletzte Purgation. Sie erst macht dazu bereit, in den Himmel einzugehen. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Eros ist für Platon die blanke Liebesleidenschaft

Platon ist der Philosoph des Eros. Doch was Eros ist, versteht man erst dann, wenn man mit Platons Deutung des Erotischen vertraut geworden ist. Christoph Quarch erklärt: „Dankenswerter Weise hat uns Platon gleich in zweien seiner Dialoge diese Deutung vorgelegt: im „Phaidros“ und im „Symposion“. Beide geben eines deutlich zu erkennen: Eros ist die Energie der „psyché“ – die Energie, die ein Lebewesen dazu anspornt, motiviert und antreibt, sich zur „areté“ und Schönheit eines voll erblühten Lebens zu entfalten.“ Eros ist der Drang nach wirklicher Lebendigkeit, der jedem Lebewesen innewohnt. Eros ist der Sog, der von dem Gott, den Platon „psyché“ nennt, fortwährend ausgeht, um den Menschen immer mehr der Harmonie des Lebens anzunähern. Der Philosoph, Theologe und Religionswissenschaftler Christoph Quarch arbeitet freiberuflich als Autor, Vortragender und Berater.

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Freiheit gewährt niemals Herrschaft über andere

Freiheit ereignet sich stets im Rahmen der verbindlichen Gesetze. Paul Kirchhof erläutert: „Das Gesetz schafft Frieden und eine Lebensordnung, in der allein Freiheit möglich ist. Es bindet den Freien in Verboten und Geboten, die sprachlich verbindlich bestimmt sind und damit Grenzen der Freiheitsbeschränkung benennen. Diese sind auch vom Staat zu achten.“ Das Gesetz regelt, wann der Mensch frei und wann er gebunden ist. Du sollst nicht töten. Du musst mit sechs Jahren die Schule besuchen. Du musst Steuern zahlen. Freiheit ist nicht die Beliebigkeit, die den Mitmenschen den eigenen Willen aufdrängt, sondern ein Recht, das die selbstbestimmte Entfaltung des eigenen Lebens in einer Gemeinschaft des Friedens und der Freiheit für jedermann erlaubt und erwartet. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Kultur ist die Summe intellektueller Errungenschaften

Dass das Wort „Kultur“ auf das Universum der Ideen angewandt wird, hat die Menschheit Cicero und dem alten Rom zu verdanken. Cicero beschrieb mit dem Wort das Heranziehen der Seele – „cultura animi“; dabei dachte er offensichtlich an den Ackerbau und sein Ergebnis, die Vervollkommnung und Verbesserung des Pflanzenwachstums. Was für das Land gilt, kann demnach genauso auch für den Geist gelten. Antonio Damasio schreibt: „An der heutigen Hauptbedeutung des Wortes „Kultur“ gibt es kaum Zweifel. Aus Wörterbüchern erfahren wir, dass Kultur eine Sammelbezeichnung für Ausdrucksformen intellektueller Errungenschaften ist, und wenn nichts anderes gesagt wird, meinen wir damit die die Kultur der Menschen.“ Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Das eigenständige Denken ist der Ursprung der Kultur der Rationalität

Das, was die europäische Kultur am nachhaltigsten von allen anderen Weltkulturen unterscheidet, ist der hohe Wert, den sie von ihren frühen Anfängen in der griechischen Antike auf das eigenständige Denken legte. Silvio Vietta erläutert: „Das eigenständige Denken ist eines der höchsten Werte der abendländischen Kulturgeschichte und zugleich Ursprung und Grund einer ganzen Kultur des Abendlandes: der Kultur der Rationalität.“ Die Aufforderung zum eigenständigen Denken findet sich bereits formuliert in dem Gebot „Erkenne dich selbst“, das über dem Eingang des Apollotempels in Delphi eingemeißelt war und dem Weltweisen Chilon von Sparta zugeschrieben wird. Der Spruch, der den Menschen auch an seine Endlichkeit und Sterblichkeit mahnen soll, bekundet den Anfang des philosophischen Denkens im frühen Griechenland bei den vorsokratischen Philosophen. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Alles Gute ist schön und niemals maßlos

Schönheit ist für Platon so viel wie der Glanz des Guten, Göttlichen und Wahren. Christoph Quarch ergänzt: „Schönheit ist der Glanz, der alles umgibt, was sinnvoll und bejahbar ist.“ Im „Phaidros“ stellt Sokrates einen atemberaubenden Mythos vor, indem es heißt, dass die „psyché“ eines Menschen einem gefiederten Gespann gleiche, das sich aus drei Aspekten zusammensetzt: der Ratio = dem Wagenlenker, den Emotionen = Pferd 1, den Affekten = Pferd 2. Platon definiert die Schönheit im „Timaios“ wie folgt: „Alles Gute ist schön. Das Schöne aber ist niemals maßlos. Um von einem Lebewesen sagen zu können, es sei schön, müssen wir daher annehmen, dass es mit sich selbst im Einklang ist.“ Der Philosoph, Theologe und Religionswissenschaftler Christoph Quarch arbeitet freiberuflich als Autor, Vortragender und Berater.

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Verliebtheit ist oft mit Enttäuschungen verbunden

Verliebtheit und der Wunsch nach der ganz großen Liebe haben nicht nur in der Pubertät viel mit Projektion zu tun. Andreas Salcher erklärt: „Eigene Sehnsüchte, aber auch Ängste spielen dabei oft eine größere Rolle als das Objekt unserer Verliebtheit. Das zu erkennen, fällt uns in diesem Alter noch schwer, manche benötigen dafür einige tiefgehende Enttäuschungen, andere schaffen es nie.“ Stimmt das idealisierte Bild vom anderen nicht mit der Realität überein, weil dies gar nicht möglich ist, kommt es zwangsläufig zu Enttäuschungen. Der andere verhält sich nicht so, wie er das aus eigenen Sichtweise tun sollte, er sagt etwas, das einen selbst kränkt, er offenbart Eigenschaften, die erschrecken. Das führt zur Ernüchterung, dass auch dieser Mensch nicht alle eigenen Bedürfnisse befriedigen kann. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

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Die Frankfurter Schule hat Deutschland offener gemacht

Sie waren großbürgerlich, gebildet und elitär – allen voran Theodor W. Adorno und Max Horkheimer. Stuart Jeffries entwirft in seinem neuen Buch „Grand Hotel Abgrund“ eine vielschichtige Biografie der Frankfurter Schule, die sich mitten im 20. Jahrhundert, dem Zeitalter der Extreme ereignet. Er schildert, wie Mitte der 20er bis Ende der 60er jahre ihre gesellschaftlichen Utopien entstehen. Entschieden wehrten sich Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und die Mitglieder der Frankfurter Schule gegen die Seilschaften alter Nazis und äußerten sich über Jahrzehnte hinweg unmissverständlich gegen Populismus, rechte Ideologie, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Kapitalismus und die Beherrschung von Natur und Mensch. Kritisch beobachtet Stuart Jeffries, wie die sogenannten 68er Bewegung aus der Frankfurter Schule hervorgeht und sich etliche 68er zur Gewalt bekennen. Der Autor beschreibt, wie auch diese Rebellion scheitert und vermerkt bitter, dass nach dem Tod Theodor W. Adornos die „Schule“ plötzlich geschlossen wurde. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

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Die Aufklärung war von unerschrockenen Freigeistern gekennzeichnet

Das 18. Jahrhundert entwickelte sich zur Epoche der großen „Entlarvung“: der Demaskierung aller – oder jedenfalls sehr vieler – Werte und Wahrheiten, die bis dahin als unantastbar gegolten hatten. Die Aufklärung sollte in Amerika und in Frankreich zu zwei politischen Revolutionen Anstoß geben, die in der Frage legitimer Machtausübung eine nachhaltige Veränderung herbeiführen würden. Zunächst war sie jedoch von einem nüchternen und respektlosen Blick auf alles gekennzeichnet, was unlängst noch Ehrfurcht gebietend erschien. Ger Groot erläutert: „Ein unerschrockener Freigeist hielt Einzug, der sogar vor den Entlarvung der Moral als ein fadenscheiniges Deckmäntelchen, das dazu diente, die egoistischen Motive zu verbergen, nicht zurückschreckte.“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam und ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Kaiser Wilhelm II. glaubte an ein deutsches Weltreich

Die Reichsgründung von 1871 veränderte die Wahrnehmung Deutschlands in den Nachbarländern entscheidend. Außerhalb des Landes trat das Bild des gemütlichen, rückständigen Deutschen zurück, das Madame de Staël Anfang des 19. Jahrhunderts gezeichnet hatte. Andreas Rödder stellt fest: „Übrig blieben ambivalente Deutschlandbilder, die sich um deutschen Militarismus und Expansionismus einerseits und um die Leistungen deutscher Wissenschaft und Kultur andererseits gruppierten.“ Um die Jahrhundertwende setzte dann ein Prozess der zunehmenden Entdifferenzierung, Reduzierung und Pauschalisierung ein, der in eindeutig negative Wahrnehmungen mündete. Dem entsprachen auf deutscher Seite zunehmend einseitige und immer nationalistischere Selbstbilder. Beide Entwicklungen drehten sich wie zwei Spiralen ineinander, wobei der Höhepunkt mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges erreicht wurde. Seit 2005 ist Andreas Rödder Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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Der Fundamentalist erfährt sich als Mängelwesen

Jeder Fundamentalismus setzt die Regel gegen den Einzelnen, das für jeden Verbindliche gegen das Individuelle. Georg Milzner betont: „Der Fundamentalist ist damit der erklärte Feind jeder am Individuum orientierten Lebensform, jeder Selbstverwirklichung, jeglichen Strebens nach Selbst-Sein.“ Der Psychoanalytiker Martin Altmeyer spricht in seiner Analyse der Gemeinsamkeiten von Rechtsradikalismus, Linksradikalismus und politischem Islam von der „Obsession des Homogenen“, der alle diese drei Lager erliegen. Sie richtet sich, anders als etwa beim Schwarmverhalten, weniger auf die erlebte Verbundenheit in einer Masse als vielmehr auf Werte, Motive und moralische Richtlinien. Jene Bereiche also, an denen Konflikte entstehen, deren Lösung im Fundamentalismus an das feste Regelwerk delegiert wird. Hinzu kommt die Bedeutung von Vorbildern, an denen man sehen kann, wie gut gelebt wird. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

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Friedrich II. zählt zu den großen Gesetzgebern der Geschichte

Vom einstigen, längst verlorenen Wohlstand Siziliens erzählen bis heute die goldstrotzenden Mosaiken byzantinischer Künstler in den Domen von Cefalù und Monreale oder auch in der Palastkapelle von Palermo. Wie europäisch der tiefe Süden Europas war, zeigt sich daran, dass selbst König Artus und der heilige Thomas Becket in die Bildwelt der normannischen Kirchen gefunden hatten. Bernd Roeck ergänzt: „Siziliens Könige lernten von den Vorgängern byzantinische und arabische Verwaltungskunst und ritzten dazu ihre eigenen Signaturen ins uralte Graffito.“ Palermo, das schon unter den kalbitischen Emiren eine der großen Hauptstädte des Mittelmeerraumes gewesen war, blieb ein kosmopolitischer Ort. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Jeder vierte Deutsche zählt zu den Geringverdienern

In Deutschland gilt jedes vierte Beschäftigungsverhältnis als prekär, also gering bezahl und unsicher. Betroffen sind vor allem Menschen mit Teilzeit-, Minijobs oder Kettenverträgen, also als atypisch bezeichneter Beschäftigungsverhältnisse. Auch manche gut ausgebildete müssen solche Arbeitsbedingungen hinnehmen. Caspar Dohmen stellt fest: „Beim Vergleich von 17 EU-Ländern wies nur Litauen einen höheren an Geringverdienern auf als Deutschland.“ Weitsichtig war die Prognose des Soziologen Ulrich Beck in den 90er-Jahren, der von dem „Risikoregime“ der Arbeit sprach, das zu einer Auflösung aller „Basisselbstverständlichkeiten im Zentrum der Erwerbsgesellschaft“ führen würde. Viele Menschen erleben das heutzutage hautnah. Viele wissen nicht mehr, ob und wie sie auf ihrem Job oder ihrer Qualifikation eine Zukunft aufbauen können. Jeder ist ein potentieller Arbeitsloser. Der Wirtschaftsjournalist, Buchautor und Dozent Caspar Dohmen studierte Volkswirtschaft und Politik in Köln.

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Killerspiele sind eine Anleitung zum Töten

Bei Killerspielen geht es um bis ins Detail gehende Durchführung von Gewalt. Die Spieler setzten sich zum Beispiel damit auseinander, welche Waffe man wählt, um einen am Boden liegenden Verwundeten zu töten. Oder wohin genau man mit einem Messer sticht. In den Augen von Georg Pieper ist das eine Anleitung zum Töten. Wenn man es besonders gut macht, wird man durch Punkte belohnt. Barbara Krahé, Professorin, für Sozialpsychologie an der Universität Potsdam, die in diesem Bereich forscht, erklärt: „So wie die Produktwerbung im Fernsehen das Kaufverhalten im Supermarkt beeinflusst, wirkt sich das Töten und Verletzen im Rahmen von Killerspielen auf Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen im echten Leben aus. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Politischer Kitsch hat Hochkonjuntur

Alexander Grau vertritt in seinem neuen Buch „Politischer Kitsch“ die These, dass Deutschland in Rührseligkeit und sentimentalen Worthülsen versinkt. Dazu kommen eine zunehmende infantile Sprache und Gesten, die sich vor allem durch Betroffenheit auszeichnen. Sie sind es, welche die öffentlichen Debatten bestimmen. Alexander Grau schreibt: „Getrieben von der gefühligen Sehnsucht nach einer heilen Welt steigert man sich in einen ebenso vorlauten wie selbstgefälligen missionarischen Eifer hinein.“ Zudem analysiert der Autor, wie und warum sich im Gewand der Achtsamkeit eine selbstgerechte Aggression versteckt. Der moralische Kitsch baut dabei vor allem auf Sentimentalität. Sein Feld ist die zur Schau getragene Empfindsamkeit. Das kitschige Bewusstsein will nicht verstehen, es will dazugehören und geborgen sein. Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist.

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Computer sind reine Logik

Bei der künstlichen Intelligenz (K.I.) handelt es sich nicht um Denken, sondern um ein Denkmodell. Ein Modell muss dabei demjenigen, was es modelliert – seinem Zielsystem – allenfalls ähneln. Markus Gabriel erläutert: „Es ist keine Kopie, sondern kann selber auch ganz andere Eigenschaften haben als dasjenige, was wir durch es verstehen und erklären wollen.“ Bei der menschlichen Intelligenz (M.I.) kann man der Einfachheit halber davon ausgehen, dass es sich bei der Intelligenz um das Vermögen zu denken handelt, wie Luciano Floridi sich ausdrückt. Mit den Gesetzen des Denkens beschäftigt sich die Logik, sofern der Denkprozess darin besteht, Gedanken zu erfassen. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Selbstüberforderung führt zu gesundheitlichen Einbrüchen

Jede Störung der Balance zwischen den kurzfristigen Bedürfnissen, die im Triebsystem verankert sind, und den längerfristigen Interessen, die man mithilfe des Präfrontalen Cortex verfolgt, kann die Gesundheit und das Glück eines Menschen beeinträchtigen. Joachim Bauer erklärt: „Aufgabe der Selbststeuerung ist es daher, auf eine gute Balance zwischen auf längerfristige Entwicklungsziele gerichteten Zukunftswünschen und Ansprüchen, die auf die Befriedigung aktueller Bedürfnisse zielen, zu achten. Die dunkle Seite des Präfrontalen Cortex ist seine Tendenz, weit über den Tag hinausreichende Vorhaben oder Vorgehensweisen zu entwerfen, welche die Menschlichkeit außer Acht lassen. Selbstüberforderungen durch überzogene Zielvorstellungen lassen sich in vielen individuellen Biographien erkennen und sind ein häufiger Grund für gesundheitliche Einbrüche, auch dafür, dass Menschen ärztlicher oder psychotherapeutischer Hilfe bedürfen. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

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Die BIG-5-Merkmale bleiben über das ganze Leben relativ konstant

Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extrovertiertheit, Verträglichkeit und emotionale Instabilität werden wegen der englischen Anfangsbuchstaben „OCEAN-Merkmale“ oder auch „BIG-5-Merkmale“ genannt. Philipp Hübl erläutert: „Die fünf Persönlichkeitsmerkmale sind jeweils unabhängig voneinander ausgeprägt. Ihre Werte variieren zwischen Individuen stark, und sie bleiben über das ganze Leben relativ konstant.“ Der BIG-5-Persönlichkeitstest ist einer der verlässlichsten in der Psychologie. Allerdings ist bis heute umstritten, welche Untermerkmale die bekannten fünf haben und ob man der Vollständigkeit halber noch weitere Merkmale annehmen sollte. Die Ergebnisse der Forschung finden jedenfalls breite Anwendung, bei der Partnervermittlung auf Online-Dating-Plattformen ebenso wie in den Personalabteilungen von Unternehmen. Was genau verbirgt sich nun hinter den Merkmalen? Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Der Literatur Kalender 2020 handelt vom Glück & Leid des Seins

Der Literatur Kalender 2020 rückt erstmals die ganze Vielfalt internationalen literarischen Lebens ins Blickfeld und zeigt unbekannte und bekannte Autorinnen und Autoren über Zeiten und Ländergrenzen hinweg. Die Beiträge handeln vom Glück und Leid des Seins. Die erste Seite ist einem Weltstar der Literatur gewidmet: Umberto Eco. Er war immer missmutig, wenn er spürte, dass einer seiner Romane dem Ende entgegengeht. Das Schöne, die wahre Freude war, sechs, sieben, acht Jahre lang – möglichst ewig – in einer Welt zu leben, die er sich nach und nach erbaute, bis sie seine eigene wurde: „Die Traurigkeit beginnt, wenn der Roman zu Ende ist.“ Dieses Geständnis stammt aus seinem autobiografischen Essay „Wie ich schreibe“. Es offenbart seine glücklichen wie leidvollen Erfahrungen, die vermutliche denen seiner erzählenden Kolleginnen und Kollegen weltweit ähneln.

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Eine saubere Wohnung verbreitet Freude

Das Saubermachen selbst gefällt nicht jedem, wohl aber der Zustand hinterher. Makellos saubere Räume wirken auf jeden Menschen einladend. Aristoteles befand: „Wir sind, was wir wiederholt tun. Vorzüglichkeit ist deshalb keine Handlung, sondern eine Gewohnheit.“ Man braucht keinen starken Willen, um regelmäßig aufzuräumen und seine Wohnung sauber zu halten. Fumio Sasaki weiß: „Gute Vorsätze bringen da gar nichts. Nein, man muss sich das Aufräumen zur Gewohnheit machen.“ Hat man diese Gewohnheit erst einmal angenommen, macht man ganz automatisch sauber, ohne groß darüber nachzudenken. Es heißt, Belohnungen seien der Schlüssel dafür, dass man sich Neues angewöhnt. Beim täglichen Putzen besteht die Belohnung möglicherweise in der Befriedigung, die man hinterher spürt. Fumio Sasaki arbeitete als Cheflektor des japanischen Verlages Wani Books, bevor er freier Autor wurde.

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Die Zeit vergeht unterschiedlich schnell

Albert Einstein erkannte, dass die Zeit von Massen gebremst wird. Carlo Rovelli erklärt diesen Zusammenhang an einem einfachen Beispiel. Ein Mensch bleibt an einer Stelle stehen, ein anderer läuft hin und her. Für denjenigen, der sich fortbewegt, vergeht die Zeit langsamer. Die beiden Menschen erleben eine jeweils andere Zeitdauer: Derjenige, der läuft, altert langsamer, seine Uhr zeigt am Ende eine frühere Zeit an, und er hat weniger Zeit zum Nachdenken. Für alles was sich bewegt, läuft die Zeit langsamer ab. Damit dieser winzige Effekt sichtbar wird, braucht es eine hohe Geschwindigkeit. Erstmals gemessen wurde er in den 1970er Jahren mit Präzisionsuhren an Bord eines Düsenflugzeugs. Eine fliegende Uhr geht gegenüber einer am Boden verbliebenen nach. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik in Marseille.

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