Vom einstigen, längst verlorenen Wohlstand Siziliens erzählen bis heute die goldstrotzenden Mosaiken byzantinischer Künstler in den Domen von Cefalù und Monreale oder auch in der Palastkapelle von Palermo. Wie europäisch der tiefe Süden Europas war, zeigt sich daran, dass selbst König Artus und der heilige Thomas Becket in die Bildwelt der normannischen Kirchen gefunden hatten. Bernd Roeck ergänzt: „Siziliens Könige lernten von den Vorgängern byzantinische und arabische Verwaltungskunst und ritzten dazu ihre eigenen Signaturen ins uralte Graffito.“ Palermo, das schon unter den kalbitischen Emiren eine der großen Hauptstädte des Mittelmeerraumes gewesen war, blieb ein kosmopolitischer Ort. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.
Unter Friedrich II. dominierte der antike Geist in Süditalien
König Roger II., von Geburt ein Hauteville, nun sizilianischer Basileus und christlicher Kalif in einem, residierte hier inmitten seines Harems und seiner Eunuchen. Der auch als Gesetzgeber bedeutende Herrscher setze an seinem Hof Gelehrte in Lohn und Brot und förderte die medizinische Hochschule von Salerno. Dort und in Montecassino wirkte Konstantin „der Afrikaner“ (1017 – 1087), ein zum Christentum konvertierter Gelehrter aus Tunesien. Neben Werken arabischer Mediziner übersetzte er Schriften Galens und des hippokratischen Corpus ins Lateinische.
Bernd Roeck erläutert: „Die griechische Antike, die in Gestalt der Tempelruinen von Agrigent und Segesta noch in Siziliens Gegenwart ragt, war zu Rogers Zeit zu neuem Leben erwacht.“ Neuzeitliche Neugier blitzt in der Antike auf, wenn man weiß, dass Aristipp den Kraterrand des Ätnas während eines Ausbruchs erstieg, ungeachtet der Gefahr. Mit dem Staufer Friedrich II. stieg Süditalien zum neben Andalusien wichtigsten Emporium antiken Geistes auf. Der Herrscher selbst rückte sich durch Kunstwerke, die nach Art kaiserzeitlicher Goldmünzen geprägten „Augustalen“ und Manifeste in die Tradition der Cäsaren.
Friedrich II. wurde als „Staunen der Welt“ bewundert
Seine „Konstitutionen von Melfi“ bieten eine Summe römischer, normannischer, byzantinischer und langobardischer Jurisprudenz. Die Gesetze sollten Königsrecht gegenüber mündlicher Tradition zum Vorrang verhelfen, dazu die Einnahmen des Fiskus sichern. Sie stärkten den Adel, soweit königliche Gerechtsame unberührt blieben, und verteidigten ein staatliches Gewaltmonopol, indem sie sich gegen das Übel der Fehde wandten. Oberste Instanz sollte das Hofgericht sein.
Die erste umfassende staatliche Rechtskodifikation seit Justinians Werk rückte Friedrich II. in die Reihe der großen Gesetzgeber der Geschichte. Von den Muslimen, die gelehrte Herrscher seines Schlages in größerer Zahl kannten, kaum beachtet, ließ Friedrich II. europäische Zeitgenossen alles andere als kalt. Je nach Partei wurde er als „Staunen der Welt“ bewundert oder als endzeitlicher Drache verteufelt. Er war Mäzen, Schreckensherrscher und Konstrukteur eines bürokratischen Staates in einem. Quelle: „Der Morgen der Welt“ von Bernd Roeck
Von Hans Klumbies