Bei Killerspielen geht es um bis ins Detail gehende Durchführung von Gewalt. Die Spieler setzten sich zum Beispiel damit auseinander, welche Waffe man wählt, um einen am Boden liegenden Verwundeten zu töten. Oder wohin genau man mit einem Messer sticht. In den Augen von Georg Pieper ist das eine Anleitung zum Töten. Wenn man es besonders gut macht, wird man durch Punkte belohnt. Barbara Krahé, Professorin, für Sozialpsychologie an der Universität Potsdam, die in diesem Bereich forscht, erklärt: „So wie die Produktwerbung im Fernsehen das Kaufverhalten im Supermarkt beeinflusst, wirkt sich das Töten und Verletzen im Rahmen von Killerspielen auf Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen im echten Leben aus. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.
Ein Amoklauf wird nicht allein durch Killerspiele verursacht
Barbara Krahé ist davon überzeugt, dass Gewalterfahrungen im realen Leben und in den Medien sich gegenseitig verstärken und nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig zu einer positiven Bewertung von Gewalt führen. Georg Pieper teilt aus seinen Erfahrungen mit Amokläufen diese Meinung. Viele psychologische Forschungen legen ja den Schluss nahe, dass Killerspiele das Risiko für Gewaltanwendung nicht erhöhen. Über diese Studien hat sich Georg Pieper immer sehr gewundert. Dazu möchte er nur so viel sagen: „Man kann mit Untersuchungen und Experimenten, je nachdem, wie man eine Fragestellung designt oder ein Experiment aufbaut, Ergebnisse in die gewünschte Richtung manipulieren.“
Eindeutig erwiesen ist allerdings, dass ein Killerspiel allein nicht dazu führt, dass ein Jugendlicher zum Täter wird. Bei einem Amokläufer kommen nachweislich immer noch andere Faktoren dazu, wie erhöhte Angst, aufgestaute Aggressionen und vor allen Dingen – und das empfindet Georg Pieper als sehr wichtig – die Erfahrung, nicht dazuzugehören, ausgeschlossen zu sein, gar gemobbt zu werden. Auch die Erfahrung, bei Mädchen nicht anzukommen, spielt bei den Tätern häufig eine Rolle. Ganz wichtig erscheint Georg Pieper dabei auch das Fehlen einer wirklich guten Beziehung zu einer erwachsenen Vorbilds- oder Autoritätsperson.
Killerspiele trainieren die Tötungshemmung weg
Wenn diese Beziehung fehlt, das sagt die amerikanische School-Shooting-Forschung, birgt das ein ganz großes Risiko. Jugendliche brauchen einen Erwachsenen, den sie nicht enttäuschen wollen. Kommen all die genannten Punkte zusammen, dann sind Killerspiele in den Augen von Georg Pieper ein ganz entscheidender Faktor, denn sie trainieren die Tötungshemmung weg, also sämtliche Gefühle, die normalerweise bei Gewalt eine Rolle spielen, wie Abscheu, Ekel, Angst oder das Schutzbedürfnis. Es kommt zu einer Gefühlskälte, Gewalt wird Normalität.
Das amerikanische Militär beispielsweise benutzt diese Spiele, um bei den Soldaten die Tötungshemmung wegzutrainieren. Wenn das nicht funktionieren würde, dann würde man es dort nicht einsetzen. Es kommt allerdings auch darauf an, wie häufig und wie lange Killerspiele gespielt werden. Bei den beiden Amoktaten, zu denen Georg Pieper hinzugezogen wurde, haben die Täter mindestens fünf, sechs Stunden täglich gespielt und nichts anderes gemacht. Die beiden Jugendlichen sind vollkommen in dieser Welt aufgegangen. Quelle: „Die neuen Ängste“ von Georg Pieper
Von Hans Klumbies