Eros ist für Platon die blanke Liebesleidenschaft

Platon ist der Philosoph des Eros. Doch was Eros ist, versteht man erst dann, wenn man mit Platons Deutung des Erotischen vertraut geworden ist. Christoph Quarch erklärt: „Dankenswerter Weise hat uns Platon gleich in zweien seiner Dialoge diese Deutung vorgelegt: im „Phaidros“ und im „Symposion“. Beide geben eines deutlich zu erkennen: Eros ist die Energie der „psyché“ – die Energie, die ein Lebewesen dazu anspornt, motiviert und antreibt, sich zur „areté“ und Schönheit eines voll erblühten Lebens zu entfalten.“ Eros ist der Drang nach wirklicher Lebendigkeit, der jedem Lebewesen innewohnt. Eros ist der Sog, der von dem Gott, den Platon „psyché“ nennt, fortwährend ausgeht, um den Menschen immer mehr der Harmonie des Lebens anzunähern. Der Philosoph, Theologe und Religionswissenschaftler Christoph Quarch arbeitet freiberuflich als Autor, Vortragender und Berater.

Platon ist der Philosoph des Eros

Eros ist der Treibstoff jeglicher Erziehung. Ohne Liebe, Lust und Leidenschaft zum heiligen Sein der Welt – Eros ist all das – sind alle Anstrengungen der Erziehung und er Politik vergebens. Das ist Platons tiefste Überzeugung. Deshalb wird er als Philosoph des Eros bezeichnet. Eros das ist die für Platon die blanke Liebesleidenschaft; die Leidenschaft eines Verliebten, die Leidenschaft einer entflammten, voll energetisierten „psyché“, die Menschen dazu veranlasst, Dinge zu tun, die sie sonst nicht täten und deshalb von denen, die sie nicht kennen oder ablehnen, diffamiert wird.

Eros ist zugleich ein Wahnsinn, woran der Sokrates des „Phaidros“ keinen Zweifel lässt. Doch der Wahnsinn, den der Eros bringt, ist keineswegs verderblich. Denn er ist ein gottgesandter, heiliger Wahnsinn, eine „theía manía“. Christoph Quarch ergänzt: „Damit ist zugleich gesagt, dass dieser Wahnsinn nichts ist, was ein Mensch von sich aus herstellen und machen könnte. Nein, so wenig wie man sich kraft seines Willens vorsätzlich verlieben kann, so wenig lässt der Eros sich erzwingen.“

Eros ist die Energie des Lebens

Der Eros ergreift den Menschen, wenn es ihm gefällt. Er kommt über einen, auch wenn man ihn nicht gerufen hat. Eros ist ein Widerfahrnis, bei dem eine Energie, die größer ist als jeder Menschenwille, in der psyché mächtig wird – eine Energie, die nach dem Zeugnis des „Symposion“ als großer „daímon“ oder Geist bezeichnet werden kann. Eros – Liebe –, so viel wird hier deutlich, ist für Platon gar nichts anderes als die Kraft, die diese Welt im Innersten zusammenhält.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Eros nichts anderes ist als die Energie des Lebens, kraft derer ein jedes Lebewesen zu sich selbst zu kommen trachtet: sich entfalten möchte, wachsen und gedeihen, Frucht tragen und sich in Harmonie und Stimmigkeit in das große Spiel des Lebens fügen. Eros ist der Motor dessen, was laut Platon eines jeden Menschen Sinn und Aufgabe ist: der Anähnlichung an die Gottheit. Die Entflammung der erotischen Energie des Lebens geschieht unter der Einwirkung der Schönheit. Quelle: „Platon und die Folgen“ von Christoph Quarch

Von Hans Klumbies