Der Staat muss für Sicherheit sorgen

Die Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens zu einem Staat bestimmt das Verständnis des Menschen über seine Fähigkeit zur Freiheit und zum Frieden. Paul Kirchhof erläutert: „Bekämpfen sich die Menschen, muss eine öffentliche Hand herrschen und Sicherheit gewährleisten. Wird der Herrscher zur Bedrohung individueller Freiheit, entwickeln die Menschen ein Regierungssystem der Gewaltenteilung.“ Traut der Staat den Menschen zu, ihre Konflikte letztendlich ohne Gewalt – ohne Faust und Fehde – zu lösen, organisiert er eine Gerichtsbarkeit, die in allein sprachlicher Auseinandersetzung Streit schlichtet und Frieden schafft. Der Kampf findet mit Worten statt, nicht mit Waffen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

Der Blick auf die Mitmenschen führt zum Recht

Paul Kirchhof vertritt folgende These: „Der Weg zur Freiheit wird stets bestimmt von beherzten Idealen und Ideen. Menschen entwickeln hinreichend Mut, Charisma, Sympathie für andere Menschen, um Unterdrückung zu überwinden, Ketten zu sprengen, im Aufruf zu mehr Freiheit zu begeistern.“ Dieser Blick auf den anderen führt zum Recht. Erst wenn Menschen sich verstehen, werden zwischen menschliche Beziehungen verbindlich geregelt. Das Anliegen der Freiheit wehrt eine Bedrohung durch andere Menschen, durch Naturgewalten, durch Unterwerfung oder durch existentielle Not ab.

Diese Freiheit kämpft um den freiheitlichen Staat. Solange die Menschen sich wie Wölfe untereinander in einem ständigen Kriegszustand bekämpfen, braucht der schutzsuchende Mensch einen Staat, der seine Untertanen vorbehaltlos beherrscht und ihnen dadurch die erhoffte Sicherheit bietet. Zweck des Staates ist die Selbsterhaltung des Menschen, seine Form der Organisation die absolute Herrschaft dessen, der diese Sicherheit gewährt. Doch der absolute Herrscher kann seinerseits Krieg gegen seine Untertanen führen, sie unterdrücken, entrechten und töten.

Die Freiheit verheißt ein Leben in Eigenständigkeit

Die Garantien der Freiheit sind fest verwurzelt mit der Fähigkeit zur Freiheit und zur Verantwortung der Freiheit. Die innere Freiheit in Sittlichkeit, das Handeln nach verallgemeinerungsfähigen Maßstäben, erwächst in der sogenannten Moderne aus der Vernunft. Paul Kirchhof erläutert: „Der Staat entwickelt sich zur Selbstorganisation der in vernünftiger Freiheit der Gleichen.“ Der Mensch ist frei, aber selbstdiszipliniert. Er regelt seine eigenen Angelegenheiten selbstbestimmt, ist aber in seinem Staat rechtlich eingebunden, mit der ihn umgebenden Gesellschaft alltäglich verbunden.

Die Sicherheit im Recht schafft eine rechtlich gesicherte Distanz zwischen Bürger und Obrigkeit. Diese Freiheit verheißt ein Leben in gelassener Eigenständigkeit. Die Freiheit zur Selbstgestaltung des eigenen Lebens hat je nach Lebenssituation und persönlicher Zielsetzung einen unterschiedlichen Inhalt. In einer rechtlich eng strukturierten, vernetzten und von der Ökonomie bestimmten Welt gewinnt die Freiheit für sich zu sein, besonderes Gewicht. Der Freie will zeitweilig nicht beobachtet sein, weder vom Staat noch von digitalen Mächten. Quelle: „Beherzte Freiheit“ von Paul Kirchhof

Von Hans Klumbies