Die Politik braucht die Bereitschaft des Kampfes

Den Menschen ist die Unterscheidung von Freund und Feind nicht fremd. Die Moral unterscheidet zwischen gut und böse, die Ästhetik zwischen schön und hässlich, die Ökonomie zwischen nützlich und schädlich. Der Mensch braucht bei der freiheitlichen Begegnung einen Maßstab, um die Mitmenschen in Gruppen von Nahe- und Fernstehenden zu unterscheiden. Paul Kirchhof weiß: „Für Carl Schmitt ist dieses die Unterscheidung zwischen Freund und Feind.“ Sie ist seiner Meinung nach notwendig, um politische Handlungen und Motive zu erklären und zu verstehen. Ist der Andere existenziell etwas Anderes und Fremdes, sind Konflikte mit ihm möglich. Bedroht das Anderssein des Fremden die eigene Existenz, muss man den anderen abwehren und bekämpfen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg.

In einer Demokratie gibt es immer eine Opposition

Deshalb braucht die Politik laut Carl Schmitt die reale Möglichkeit und Bereitschaft des Kampfes. Dieser kann auch in einen Krieg zwischen Staaten oder in einen Bürgerkrieg innerhalb eines Staates münden: „Der Krieg ist nur die äußerste Realisierung dieser Feindschaft.“ Der Krieg wird damit nicht Ziel und Zweck oder gar Inhalt der Politik. Wohl aber gilt er als eine immer real vorhandene Voraussetzung, die das politische Denken und Handeln bestimmt.

Diese markante Charakterisierung des politischen Menschen ist überzeichnet und nach den Erfahrungen moderner Kriegsmittel widerlegt. Sie trifft aber in der strukturierenden Entgegensetzung gegenläufiger Politziele einen Grundbefund auch der modernen Staatlichkeit. Die Demokratie lebt von der Antithese zwischen Regierung und Opposition. Sie richtet die Wahlen auf die politische Alternativität von Programmen und Personen aus. Zudem organisiert sie regelmäßige Neuwahlen als Chance für ein besseres Parlament, eine bessere Gesetzgebung und Regierung.

Menschen bilden Gruppen von Freunden und Feinden

Doch diese Alternativität und Gegensätzlichkeit verstehen viele Menschen heute nicht mehr als Feindlichkeit. Sondern sie akzeptieren sie als Inhalt einer demokratischen Auseinandersetzung und gleichwertigen Gruppen mit der Macht des Wortes. Paul Kirchhof erläutert: „Ein demokratischer Bürger wird einer Partei mit einem ausgeprägten Feindbild, die sich und ihre Mitgleicher strukturell für besser, ehrlicher, gerechter hält, die Gefolgschaft verweigern.“ In einer Demokratie ist eine Partei in Status und Chance den anderen gleichgestellt.

Erreicht eine Partei die Mehrheit, ist sie deshalb nicht gerechter, sondern derzeit erfolgreicher. Der Mensch neigt dazu, seine eigenen Bedürfnisse, Anliegen und Ziele mit größerem Wohlwollen zu betrachten als die des anderen. Er nimmt eigene Fehler eher hin als fremde. Er vereinfacht die soziale Wirklichkeit der ihn umgebenden Menschen, indem er Gruppen von Freunden und Feinden bildet, den Gegner teilweise herabwürdigt und sich selbst überhöht. Zudem steigert er auch den Zusammenhalt, das Selbstwertgefühl und die Handlungsbereitschaft der eigenen Gruppe durch ein gemeinsames Feindbild. Quelle: „Beherzte Freiheit“ von Paul Kirchhof

Von Hans Klumbies