Der Krieg spielt auch weiterhin eine bedeutende Rolle

Wer einen Blick in die Zukunft werfen will, sollte sich zunächst mit der Gegenwart vertraut machen. Und obendrein ist es bei politischen Prognosen ratsam, die gegenwärtigen Verhältnisse mit denen der Vergangenheit zu vergleichen. Denn dann bekommt man eine Vorstellung davon, was sich in der jüngeren Vergangenheit verändert hat und was sich gleichgeblieben ist. Herfried Münkler erklärt: „In der Regel nämlich kann man davon ausgehen, dass die in der jüngeren Vergangenheit zu beobachtenden Entwicklungen sich in der nächsten Zukunft fortsetzen werden.“ Hieraus kann man erste Elemente einer Prognose ableiten. In diesem Sinne lässt sich eine Prognose von bloßer Prophetie unterscheiden. Voraussagen über das Kriegsgeschehen der Zukunft sind nicht nur in wissenschaftlicher, sondern in diesem Fall auch in moralischer Hinsicht riskant. Herfried Münkler ist Professor em. für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Der Krieg droht der Kontrolle durch die Politik zu entgleiten

Alle Menschen hoffen, dass ihnen Kriege erspart bleiben. Und die wünschen sich, dass die Zukunft der Gesellschaften, in denen sie leben, eine des Wohlstands und des Friedens sein wird. Leider spielt der Krieg auch weiterhin eine bedeutende Rolle im Weltgeschehen. Das Thema Krieg und Politik hat damit auch im 21. Jahrhundert eine starke Bedeutung. Denn der Krieg droht seiner Verwendung und Kontrolle durch die Politik zu entgleiten. Er macht sich insofern selbstständig, indem er ein politisch kaum noch zu kontrollierendes Verhältnis mit der Ökonomie eingeht.

Der preußische General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz sagte einst: „Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Diese Formel, so Herfried Münklers These, wird im 21. Jahrhundert in vielen Fällen keine Gültigkeit mehr haben. Und er fügt ausdrücklich hinzu, dass es dies eher fürchte als hoffe. Staaten müssen sich in Zukunft erheblich anstrengen, um einigermaßen Herr des Kriegsgeschehens zu bleiben. Herfried Münkler fügt hinzu, dass er dies eher wünsche als ablehne.

Bürgerkriege nehmen mehr und mehr zu

Der Krieg verschwindet auch in Zukunft nicht, sondern er versucht sich von der Kandare der Politik weiter loszureißen. Herfried Münkler stellt fest: „Das Verhältnis von Krieg und Politik im 21. Jahrhundert wird wohl den Staat als einzig legitimen Monopolisten des Krieges und bevorzugten Austragungsort politischer Kontroversen nicht mehr kennen.“ Aber es ist andererseits auch keineswegs ausgeschlossen, dass man die gegenwärtige Tendenz zur Entstaatlichung des Krieges stoppen und wieder umkehren kann.

Von den weltweit geführten Kriegen des Jahres 1999 waren nur neun Prozent Staatenkriege im klassischen Sinn. Ihnen standen 41 Prozent sogenannte Antiregimekriege und 32 Prozent Autonomie- bzw. Sezessionskriege gegenüber. Dreiviertel aller weltweit geführten Kriege des Jahres 1999 sind keine Staats- sondern Bürgerkriege gewesen. Für das Jahr 1998 lauten die Zahlen ähnlich. Dabei gibt es einen immer stärker werdenden Trend. Die Kriege zwischen den Staaten verringern sich, wohingegen Bürgerkriege, in denen die Ordnung des Staates zu bestehen aufhört, mehr und mehr zunehmen. Quelle: „Krieg und Politik am Beginn des 21. Jahrhunderts“ von Herfried Münkler in „Der Geist im Gebirge“ von Konrad Paul Liessmann (Hg.)

Von Hans Klumbies