Die industrielle Revolution verstärkte den Konsum

Konsum als Lebensmodell hat, so seine Befürworter, die beste aller Welten geschaffen. Je mehr Gesellschaften konsumieren, desto innovativer sind sie, desto wohlhabender, sicherer, friedlicher. Und nicht nur das: Durch die Massenproduktion wurde es möglich das Los aller Menschen zu verbessern. Philipp Blom nennt Beispiele: „Nie waren so wenige Menschen hungrig wie heute, nie konnten mehr Menschen lesen und schreiben. Nie war die Kindersterblichkeit niedriger, nie lebten mehr Menschen in Demokratien oder in stabilen Staaten mit demokratischen Zügen.“ Ohne Konsumkonjunktur und ohne die fossilen Brennstoffe, die sie schufen, wäre nichts von alledem möglich gewesen. Richtig, sagen die Kritiker. Unsicher ist allerdings, ob dieses Modell eine Zukunft hat. Fraglich ist auch wie lange es durchgehalten werden kann, bevor die Risiken, die es geschaffen hat, erdrückend werden. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Ohne Märkte gibt es keinen Handel und keine Demokratie

Es ist zu früh, um zu sagen, welche dieser beiden Seiten die Geschichte auf ihrer Seite haben wird. Untergangspropheten sind eine ermüdende Begleiterscheinung kultureller Spannungen. Dumme Optimisten allerdings sind noch anstrengender. Philipp Blom blickt zurück: „Es hat Konsumenten gegeben, seit es Städte gibt, und seit es Menschen gibt, die sesshaft sind. Märkte existieren, weil es eine Sehnsucht nach schönen Dingen, nach Status, Bequemlichkeit und Prestige gibt.“ Neu sind allerdings die Energie aus fossilen Brennstoffen und das Prinzip der Massenproduktion.

Die industrielle Revolution gab dem Konsum seinen ersten großen Schub. Ohne Märkte gibt es keinen Handel, keinen Austausch, keine Toleranz, keine Demokratie. Konsum ist wie der Kapitalismus, den er dynamisiert. Es ist ein wunderbares Instrument, das aber zum Monster wird, wenn es zum Selbstzweck gerät. Dass das ursprüngliche amerikanische Evangelium des Konsums auch in Europa und einigen Ländern Asiens Bewunderung fand, erklärt sich nicht zuletzt aus der Erfahrung des Krieges.

Gesellschaft ist Ökonomie plus Freizeit

Philipp Blom erläutert: „Wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Schaffung von Wohlstand hatten für die Architekten der Europäischen Gemeinschaft politische Priorität.“ Zahlen lügen nicht. Gesellschaft ist Ökonomie plus Freizeit, aber vor allem Ökonomie. Der Erfolg der kapitalistischen Gesellschaft wird in Produktionsziffern gemessen, in Umsatz und Profit. Die klassische Lehre geht davon aus, dass sich die Märkte, wenn man sie nur in Ruhe lässt, von selbst regulieren. Und dass sich Arbeit wie Wohlstand ideal und gerecht verteilen.

Diese neoklassische oder marktfundamentalistische Theorie hat den enormen Vorteil, dass die rationalen, informierten und freien Teilnehmer an wirtschaftlichen Transaktionen – die Menschen – sich unter diesen Voraussetzungen mathematisch ideal modellieren lassen. Philipp Blom kritisiert: „Sie hat den Nachteil, dass sie reine Fiktion ist, nichts mit einer beobachtbaren sozialen Wirklichkeit zu tun hat. Sie ist reine Theologie. Sie benutzt sogar Denkfiguren des Christentums.“ Eine jüngere Generation von Ökonomen hat diese Ideen längst verworfen und ist zu komplexeren Modellen übergegangen. Quelle: „Was auf dem Spiel steht“ von Philipp Blom

Von Hans Klumbies