Lange Zeit galt Afghanistan als Rückzugsgebiet für Terroristen. Dieses Land am Hindukusch war auch nach dem Abzug der letzten sowjetischen Truppen am 15. Februar 1989 nicht zur Ruhe gekommen. Nach einem Bürgerkrieg übernahmen die von den USA unterstützten Milizen der Taliban im September 1996 die Macht. Nach dem 11. September dieses Jahres forderten die USA viele Male die Auslieferung des Saudis und Geldgebers Osama bin Laden. Dieser lebte seit Langem versteckt, war unauffindbar und galt als Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001 galt. Gleichzeitig bereitete Washington einen Koalitionskrieg gegen das Land vor. Nur vier Wochen nach 9/11 begannen amerikanische und britische Militäreinheiten mit Luftangriffen auf Afghanistan. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.
Die Taliban entfachten einen Guerillakrieg
Schließlich setzte man in Afghanistan auch Bodentruppen ein. Der eigentliche Feldzug war schnell zu Ende, und Afghanistan sollte das erste Beispiel eines von außen erzwungenen Regimewechsels werden. Doch was folgte, war ein zermürbender Guerillakrieg der Taliban gegen die Besatzungsmächte und die neue afghanische Regierung. Der politische Neuanfang am Hindukusch stand unter dem Schutz einer internationalen Streitmacht, der ISAF (International Security Assistance Force).
An dieser Streitmacht waren Soldaten aus 32 europäischen Ländern beteiligt, auch solche, die nicht der Europäischen Union (EU) angehörten. Für die EU bedeuteten die Terroranschläge vom 11. September 2001 eine besondere Herausforderung. Am 21. September 2001 trafen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel zusammen. Sie erklärten den Kampf gegen den Terrorismus mehr denn je zu einem vorrangigen Ziel der Europäischen Union zu machen. Sie beschlossen einen Aktionsplan, bei dem eine innen- und justizpolitische Zusammenarbeit im Vordergrund stand.
Die Geheimdienste kooperierten gegen den Terror
Das sollte vor allem der nationalen und internationalen Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit signalisieren. Dabei regelte man vier Bereiche. Erstens die Prävention: Maßnahmen sollten verhindern, dass Menschen sich dem Terrorismus zuwandten. Im Vordergrund standen dabei der Missbrauch des Internets und die Bekämpfung der Aufstachelung und Anwerbung. Zweitens der Schutz: Die Bürger und die Infrastruktur sollten vor Anschlägen geschützt und die Verwundbarkeit verringert werden. Priorität besaß die Einführung biometrischer Daten in Ausweispapieren, die Verbesserung der Informationssysteme und ein effektiver Schutz der EU-Außengrenzen.
Drittens die Verfolgung: Eine grenzüberschreitende Verfolgung von Terroristen war vorgesehen. Viertens die Reaktion: Hierbei ging es um die Bewältigung von Terroranschlägen durch eine Zusammenarbeit beim Katastrophenschutz und eine verbesserte Reaktionsfähigkeit. Eine Kooperation der Geheimdienste auf europäischer Ebene wäre bis dahin kaum denkbar gewesen. Angesichts der Gefährdung entwickelte sich die EU in einem Bereich fort, der zuvor als exklusive Domäne des Nationalstaats galt. Quelle: „Der Aufsteiger“ von Edgar Wolfrum
Von Hans Klumbies