Josef Joffe bewundert Konrad Adenauer

Als Erstes sagte der beinharte Realist Konrad Adenauer dem Traum von der Wiedervereinigung Deutschlands schon im Herbst 1945 (!) Ade: „Der russisch besetzte Teil ist erst einmal für Deutschland verloren“. Kurz darauf formulierte der Kanzler der Verlierer, was zur Politik des Westens werden sollte, bevor dieser es selber wusste: „Deutschland diesseits der Elbe ist ein integrierender Teil Westeuropas“. Frankreich bat er, nicht das Ruhrgebiet zu internationalisieren, denn das würde unheilvolle Erinnerungen an die Ruhrbesetzung von 1923 wecken und Revanchegelüste befeuern. Es gebe einen besseren Weg, die Sicherheitsängste der Nachbarn zu dämpfen: die „wirtschaftliche Verflechtung“ auf dem Weg zur „Union der westeuropäischen Staaten“. Josef Joffe ergänzt: „Wie es denn auch 1952 mit der Kohle- und Stahlgemeinschaft (EGKS) geschah, welche die klassischen Ressourcen der Kriegsführung europäisierte. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

1957 wurde das Saarland Teil der Bundesrepublik

Dieser erste Akt in dem Drama „Selbstbehauptung durch Selbstverleugnung“ war der Beginn einer dauerhaften Gewinnsträhne. Josef Joffe nennt ein Beispiel: „Um den Deutschen das erzreiche Saarland vorzuenthalten, betrieben die Franzosen nach 1945 die Abtrennung. Konrad Adenauer konterte mit einer deutsch-französischen Union, was bei der Siegermacht keine Gegenliebe entfachte.“ Außenminister Robert Schuman, ein Gründervater der europäischen Einigung, hielt mit dem nach ihm benannten Plan dagegen, der sich zur sogenannten Montanunion (EGKS) verdichtete.

Konrad Adenauer hatte richtig gewettet. Nun, da Paris ein Aufsichtsrecht über die Rohstoffe des Krieges verbrieft bekam, ließ es vom Saarland ab – und eine Volksabstimmung zu. 1957 wurde das Saarland Teil der Bundesrepublik. Niccolò Machiavelli wird gerne der Satz zugeschrieben: „Es ist nicht weise, zu verteidigen, was man ohnehin aufgeben muss.“ Der Spruch ist zwar nicht verbrieft, passt aber haargenau zur Strategie von Konrad Adenauer. Das Geniale an diesem Bundeskanzler war es, das Unvermeidliche zu wollen und scheinbare Unterwerfung in Einfluss umzumünzen.

Konrad Adenauer prägte eine neue deutsche Außenpolitik

Josef Joffe erläutert: „Hier wurde der Stil der neuen deutschen Außenpolitik geboren, den Lichtjahre von der alten trennten: Interessenpolitik im Gewande der Idealpolitik, Selbstbindung als Befreiung, der moralische Gestus als realpolitisches Instrument.“ Dieser Stil war plötzlich so deutsch, wie es einst die imperiale Rhetorik des zweiten Wilhelm gewesen war. Und er sollte die Außenpolitik aller künftigen Kanzler prägen, die wie Konrad Adenauer das Gute predigten, um zugleich das Nützliche zu ernten.

Die Leiter zum Aufstieg Deutschlands war das europäische Projekt, dem Konrad Adenauer unaufhörlich mit selbstlos-visionären Worten huldigte. Was hatte denn der deutsche Jungstaat zu verlieren, wenn er die Souveränität, die er nicht hatte, auf dem europäischen Altar opferte? Nichts, aber er konnte umso mehr gewinnen; die Tugend war ihr eigener Lohn. Das entrechtete Halbland konnte allein durch die Mitgliedschaft im Club der Sieger die Freiheit zurückerobern. Quelle: „Der gute Deutsche“ von Josef Joffe

Von Hans Klumbies