Markus Gabriel kennt die moralischen Grundregeln

Wenn Begriffe unklar und verschwommen sind, begeht man leicht logische Fehler. Markus Gabriel stellt fest: „Es gelingt uns dann nicht, gut begründete und im besten Fall wahre und kohärente Meinungen zu formulieren. Besonders schlimm, weil lebensweltlich folgenreich, ist dies im Bereich der praktischen Philosophie, in der es um unser Handeln geht.“ Viele Menschen haben nur eine verschwommene Vorstellung von Glück, Moral, Pflichten und Rechten. Sie begehen genau deswegen oft Fehler, weil sie die grundlegenden Definitionen dieser Begriffe nicht überblicken. Eine der Hauptaufgaben der Philosophie ist deshalb die Begriffsklärung. Diese ist spätestens seit Immanuel Kant eng mit dem modernen Ideal der Aufklärung verbunden. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Die erste rationale Ethik stammt von Aristoteles

Ethik ist eine philosophische Teildisziplin. Ihr Begriff wurde von Platon und Aristoteles geprägt. Sie beschäftigt sich systematisch damit, worin ein gutes, gelungenes Leben besteht. Der traditionelle Name für ein gutes, gelungenes Leben beziehungsweise für einen erfolgreichen Lebensabschnitt ist Glückseligkeit. Oder, wie man heute verkürzt sagt, Glück. Die erste systematische, rationale Ethik, die mit einem wissenschaftlichen Anspruch auftrat, stammt von Aristoteles. Sie ist an erster Stelle jedoch ein Beitrag zur Glücksforschung.

Der Ausdruck „Ethik“ stammt vom altgriechischen „ḗthos“ ab. Dessen Bedeutungsspanne umfasst „Aufenthaltsort“, „Wohnsitz“, „Brauch“, „Gewohnheit“, „Charakter“ und „Denkweise“. Die Untersuchung des „ḗthos“ befasst sich deswegen seit eh und je auch mit der Charakterbildung von Menschen. Um davon ausgehend die Frage zu beantworten, wie sie zur Glückseligkeit gelangen können. Und sich trotz der Widrigkeiten und Härten des Lebens und Überlebens in ihr halten können.

Die Werte der Ethik sind eine Form von Normen

Davon zu unterscheiden ist die Moral. Sie ist eine Antwort auf die Frage, was Menschen im Allgemeinen sowie in einer gegebenen Situation tun sollen. Markus Gabriel ergänzt: „Natürlich gibt es auch in anderen Bereichen der menschlichen Handlungskoordination Normen und Sanktionen. Insbesondere in der Form des Rechts.“ Die universalen Werte der allgemeinen Ethik sind eine Form von Normen, die mit den ethischen zusammenhängen. Aber sie steuern in weiten Teilen Bereiche des nichtmoralisch regulierten, neutralen Handelns.

Dazu gehören beispielsweise die Straßenverkehrsordnung und ästhetische Normen, welche die Beurteilung eines gegebenen Kunstgenres betreffen. Welche Kunstgattung ein Mensch vorzieht, ist kein moralisch aufgeladenes Problem. Die Theorie der Normen umfasst mehr als die philosophische Ethik. Rechtliche Normen sind etwa nicht automatisch moralisch von Bedeutung. Es ist im Falle eines Staates, der moralisch betrachtet ein Unrechtsstaat ist, moralisch verwerflich, seinen Rechtsnormen Folge zu leisten. Quelle: „Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies