Meistens haben Menschen keinen Zugang zu ihrem Denken

Normalerweise haben Menschen das Gefühl, dass sie über die Vorgänge in ihrem Kopf recht gut Bescheid wissen – worüber sie gerade nachdenken und welche Denkprozesse gerade ablaufen. Aber diese Überzeugung ist laut Richard E. Nisbett meilenweit von der Wirklichkeit entfernt. Denn ein immenser Teil der Einflüsse auf die Urteile eines Menschen und sein Verhalten wirkt im Verborgenen. Reize, die man bewusst kaum wahrnimmt – falls man ihnen überhaupt Beachtung schenkt –, können sich auf das, was man tut, gravierend auswirken. Richard E. Nisbett ergänzt: „Viele der Reize, die wir bemerken, haben Konsequenzen, die über das, was uns plausibel erscheint, weit hinausgehen.“ Ein Mensch weiß zum Beispiel nicht, dass er langsamer geht, wenn er an alte Leute denkt. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

Im Umgang mit anderen Menschen kann es zu gravierenden Fehlern kommen

Obwohl es sich so anfühlt, als hätten Menschen Zugang zu ihren Denkapparat, ist das meistens nicht der Fall. Allerdings sind sie sehr erfindungsreich, wenn es darum geht, Erklärungen für ihre Urteile und Handlungen zu finden, die mit den eigentlichen Ursachen wenig oder gar keine Ähnlichkeit haben. Menschen können fest davon überzeugt sein, dass sie etwas nicht beeinflusst hat, obwohl das genau in Wirklichkeit der Fall war, und ebenso fest davon überzeugt sein, das etwas, das keine Auswirkung auf sie hatte, sehr wohl Einfluss auf sie ausgeübt hat.

Dieses Durcheinander kann verheerende Folgen auf die eigenen Urteile über andere Menschen haben. Richard E. Nisbett erklärt: „Wir wissen nicht immer, warum wir sie mögen oder ablehnen, und machen daher im Umgang mit ihnen gravierende Fehler.“ Beispielsweise versucht man, ihnen Eigenschaften und Verhaltensweisen abzugewöhnen, die dem eigenen Empfinden nach eine Abneigung wecken, während es in Wahrheit neutrale Merkmale sind, die mit dem eigenen Gesamteindruck nichts zu tun haben.

Einen unterschwelligen Reiz nimmt ein Mensch nicht bewusst wahr

Ein Mensch muss sich eines Reizes in keiner Weise bewusst sein, damit er auf ihn einwirkt. Richard E. Nisbett erläutert: „Mit einem unterschwelligen oder subliminalen Reiz ist ein Reiz gemeint, den eine Person nicht bewusst wahrnimmt.“ Eine Reizschwelle, englisch „limen“, ist der Punkt, an dem der Reiz – etwa ein Licht, ein Geräusch oder irgendein Ereignis – wahrnehmbar wird. Eine berühmte Erkenntnis der Psychologie lautet: Je häufiger Menschen einem beliebigen Reiz ausgesetzt werden – Melodien, chinesischen Schriftzeichen, türkischen Wörtern, menschlichen Gesichtern –, desto mehr wird ihnen der Reiz gefallen. Vorausgesetzt, sie empfinden nicht von Anfang an eine Abneigung dagegen.

In jüngerer Zeit weisen Untersuchungen der Marktforschung darauf hin, dass unterschwellige Reize tatsächlich die Produktwahl beeinflussen können. Macht man Menschen beispielsweise durstig und präsentiert ihnen dann einen Markennamen so kurz, dass sie es nicht bewusst bemerken, wählen sie eher diese Marke, wenn sie sich zwischen ihr und einer nicht präsentierten Marke entscheiden müssen. Ganz sicher ist, dass sich überschwellige oder supraliminale Reize, die sich oberhalb der Reizschwelle befinden, aber scheinbar zufällig scheinen und kaum beachtet werden, auf die Entscheidungen der Verbraucher auswirken können. Quelle: „Einfach denken!“ von Richard E. Nisbett

Von Hans Klumbies

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