Nur die Vernunft führt zur Erkenntnis

Den richtigen Weg zur Erkenntnis kann man nur mit dem richtigen Gebrauch des Logos beziehungsweise der Vernunft finden. Silvio Vietta ergänzt: „Der menschliche Geist kann, aber muss auch die Wahrheit selbst auffinden. Dies wiederum geht nur mit dem richtigen Gebrauch der Vernunft. Also ist die Freiheit des menschlichen Geistes, der auf sich gestellt den Weg finden muss zwischen dem wahren und dem falschen Weg zur Erkenntnis des Seins.“ Und wie in der Philosophie, so auch im antiken Drama. In vielen der Mythen herrscht ja ein Generationengeschick, das dem Menschen gar keine eigene Freiheit der Entscheidung lässt. Sondern sie binden ihn in ein zwanghaftes Geschehen ein, das er auf tragische Weise erfüllen muss. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

Aristoteles nennt zwei Bedingungen für Freiheit

Von den großen griechischen Philosophen hat Platon den Begriff Freiheit zwar nicht als zentralen Begriff thematisiert. Aber mittelbar doch, in der Möglichkeit der Wahlfreiheit zum Guten, wie das mehrere Dialoge ausführen. Unter anderem der frühe Dialog „Protagoras“. Dagegen hat Aristoteles den Begriff nachdrücklich thematisiert und dabei auch das Entscheidende herausgearbeitet. Freiheit ist für ihn Wahlfreiheit zwischen Alternativen, zwischen Gut und Böse.

Freiheit wird damit selbst zu einer zentralen politischen Kategorie. Wenn denn der Mensch nach Aristoteles wesentlich ein politisches Lebewesen, ein „zoon politikon“ ist. Silvio Vietta erklärt: „Aristoteles definiert Freiheit als eine Form des Handeln-Könnens nach eigener Maßgabe des Handelnden.“ Zwei Bedingungen nennt Aristoteles für Freiheit. Erstens muss der Handelnde aus sich heraus tätig sein und also nicht unter Zwang eines anderen oder einer anderen Macht als ihm selbst.

Es gibt keine Willenswahl ohne Verstand und Denken

Und zweitens sollte der Handelnde dabei die „Umstände der Handlung“ kennen, also nicht blind agieren. Silvio Vietta erläutert: „Freiheit ist demnach eine Form von selbstbegründetem und daher aus selbstveranwortetem Denken und Handeln mit Durchblick auf die Umstände.“ Unter welchen Bedingungen aber vermag der Handelnde richtig zu handeln? Aristoteles geht davon aus, dass es unterschiedliche Seelenteile gibt, einen „vernunftbegabten und einen unvernünftigen“. Das Prinzip des Handelns ist es nun, wenn hier Begehren und Denken zusammenstimmen.

Darum gibt es für Aristoteles keine Willenswahl ohne Verstand und Denken. In seiner „Metaphysik“ schreibt er: „Denn das Wahre und das Falsche liegt nicht in den Dingen, so dass etwa das Gute wahr und das Böse sogleich falsch wäre, sondern im Denken.“ Damit übernimmt der Mensch auch anthropologisch vollends die Verantwortung für sein Handeln. Er wird „autonom“ – „autonomos“ – wie ein verwandter griechischer Begriff lautet. Der Mensch kann nach Aristoteles frei handeln, denn das Prinzip des Handelns liegt in ihm selbst. Quelle: „Europas Werte“ von Silvio Vietta

Von Hans Klumbies