Die Naturwissenschaften mehrten das Wissen

Je nachdem, ob man diesen Begriff weit oder eng fasst, kann man sagen, dass die Naturwissenschaften mit Isaac Newton, Galileo Galilei, Archimedes, Hipparch, Hippokrates, Pythagoras oder Anaximander ihren Anfang nahmen. Ob historisch oder symbolisch, jeder dieser Momente kennzeichnet den Erwerb eines neuen Instruments in der Menschheitsgeschichte. Jeder davon war für die Mehrung des Wissens von entscheidender Bedeutung. Carlo Rovelli stellt fest: „Wenn wir mit Naturwissenschaften eine Forschung meinen, die auf systematischen Experimenten basiert, dann begann sie mehr oder weniger mit Galilei.“ Wenn man damit eine Sammlung quantitativer Beobachtungen und theoretisch-mathematischer Modelle meint, gehört auch die Astronomie von Hipparch und Ptolemäus zur Naturwissenschaft. Denn sie ordnen ihre Beobachtungen und ermöglichen präzise Vorhersagen. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Die Weisheit zählt die Liebe zu den höchsten Tugenden

Die Weisheit, um mit Epiktet zu sprechen, lädt die Menschen ein zu unterscheiden, was von ihnen abhängt und was nicht. Wenn einem Menschen etwas passiert, das er sich nicht ausgesucht hat, liegt es dennoch an ihm, wie der damit umgeht. Eine schwere Krankheit kann man beispielsweise als Herausforderung ansehen oder sich von ihr niederdrücken lassen. Ein Weiser akzeptiert seine Krankheit, anstatt sie zu verleugnen. Dann versucht er, in Bezug auf das, was er beeinflussen kann, zu handeln. Zum Beispiel gute Medikamente zu finden und so positiv wie möglich mit der Situation umzugehen. Frédéric Lenoir ergänzt: „Schließlich, wenn wir trotz all unserer Anstrengungen nicht gesund werden, müssen wir uns erneut in das Unausweichliche fügen, da wir es nicht vermeiden können: die chronische Krankheit oder den Tod.“ Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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Der Konsument prägt die Richtung des Kapitalismus

Konsumenten entscheiden auch über die ökologische Verfassung der globalisierten Welt. Vorausgesetzt sie verfügen über ein Mindestmaß an Wohlstand und Wissen, das dafür notwendig ist. Ulf Poschardt stellt fest: „Den wohlhabenden Deutschen fällt dabei eine besondere Vorbildfunktion zu. Im Kapitalismus verändert der Konsument mit seiner Nachfrage ständig und umfassend die Ausrichtung des Kapitalismus.“ Doch die Folgen des Konsums wurden lange verdrängt. Bis sie durch Katastrophen wie das Waldsterben, BSE und nun die Klimakrise schockhaft ins Bewusstsein drängten. Wollen die reichen westlichen Länder eine Vorbildfunktion einnehmen, dann sollten sie Geld vor allem für wertbeständige und energieeffizient produzierte Konsumgüter ausgeben. Auch durch eine Reparaturgesellschaft entstehen neue Arbeitsplätze. Bestes Beispiel: Denkmalschutz und Bauen im Bestand. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Der Sinn in der Arbeit ergibt keinen Sinn

Ingo Hamm zeigt in seinem neuen Buch „Sinnlos glücklich“ neue Wege der Psychologie und Philosophie, um dem Unsinn mit dem Sinn zu entkommen. Er erklärt dabei, wie man im Arbeitsleben ohne Sinn auskommt. Denn es ist die Tätigkeit an sich, die glücklich macht, wenn man das tut, was man gerne macht und immer schon gut konnte. Laut Ingo Hamm ist nun die Zeit für einen „Existenzialismus der Arbeit“ gekommen. Dort bestimmen pures Erleben, Freiheit und Selbstbestimmung den Beruf. Wie eine Umfrage des Job-Netzwerks Xing ergab, legen Menschen großen Wert darauf, dass ihr Job sinnstiftend ist. Gehalt und Status liegen bei vielen nicht mehr an erster Stelle. Der Purpose ist der neue Heilige Gral des westlichen Arbeitslebens. Dr. Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt.

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Putin hat den Frieden in Europa zerstört

Anders als gewohnt widmet sich die Rubrik „Arena“ im neunen Philosophie Magazin 03/2022 nur einem Thema. Und zwar dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt in ihrem Editorial: „Gerade jetzt ist es geboten zu verstehen: die Logik des Krieges, die immer noch Teil unserer Realität ist – und die auch das Denken Wladimir Putins bestimmt. Ein solches Verstehen legitimiert nicht seine Tat, sondern kann vielleicht helfen, einen aus Schock und Angst geborenen blinden Aktionismus zu verhindern.“ Jörg Baberowski, Historiker und Spezialist für die Geschichte der Sowjetunion, hat den Angriff Russlands auf die Ukraine nicht für möglich gehalten. Welche Tür sollte der Westen Putin öffnen, damit es zum Schlimmsten nicht kommt? Jörg Baberowski rät: „Die einzige Tür, die ins Offene führt, ist das Gespräch. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.“

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Der Tod flößt stets Angst ein

Oft begegnet man dem Tod als Strafe, besonders als Gottesstrafe. Michael Wolffsohn fügt hinzu: „Nie ist der Tod gewünscht oder erwünscht oder gar Erlösung. Bestenfalls „bitter“ ist der Tod. Stets flößt er Angst ein, auch wenn er nicht als Strafe gedacht ist.“ Besonders beängstigend war schon immer die Tatsache, dass auch die ganz Starken unter den Lebenden dem Tod nicht entrinnen können. Kurzfristig jedoch kann der Mensch sehr wohl dem Tod entrinnen, nicht jedoch langfristig. Alle sterben. Nicht nur der Tod ängstigt, das Sterben mindestens ebenso. Die Auferstehung der Toten ist die große Ausnahme und eben nicht menschenmöglich, sondern gottgewollt. Prof. Dr. Michael Wolffsohn war von 1981 bis 2012 Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München.

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Impfen kann den Tod vieler Kinder verhindern

Eine falsche Vorstellung von Reinheit treibt auch radikale Impfgegner aus dem progressiven Bürgertum an. Diese gehen manchmal geradezu religiös und sogar militant gegen Erkenntnisse der Wissenschaft vor. Warum kritisieren sie nicht andere Bereiche der Medizin, sondern haben sich gerade das Impfen ausgesucht? Philipp Hübl nennt eine mögliche Antwort: „Auch hier geht es um Schutz und Reinheit.“ Wieder schrillen die Alarmglocken auf, weil etwas Fremdes und „Unnatürliches“ in den Körper der Kinder gelangt. Damit scheint ihr Wohl auf dem Spiel zu stehen. Tatsächlich ist es umgekehrt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich weltweit über 1,5 Millionen Kinder an Krankheiten, die man durch Impfungen verhindern könnte. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Die Technik ist mit sozialen Praktiken verknüpft

Wie in einer Gesellschaft gehandelt und gefühlt, wie produziert, geherrscht, kommuniziert und imaginiert wird, ist entscheidend von den Formen der Technik und Technologie beeinflusst, über die sie verfügt. Andreas Reckwitz schränkt ein: „Natürlich determiniert die Technik soziale Strukturen nicht in einem strengen Sinne.“ Vielmehr sind die technischen Artefakte immer mit sozialen Praktiken verknüpft, die sie sich auf eine spezifische Weise zu Eigen machen. Artefakte und Artefaktsysteme stellen materielle Angebotsstrukturen dar. Sie bieten einen Spielraum vielfältiger, aber nicht beliebiger Verwendungsweisen. Sie entwickelten sich vom Rad bis zur Schrift und Buchdruck. Die Entwicklung schreitet voran vom einfachen Werkzeug bis zur industriellen Produktion, von der Biotechnologie bis zur Computersoftware. Zu Recht gilt die moderne Gesellschaft im historischen Vergleich als eine genuin technische Kultur. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Moralische Werte sind universal

Ein Wissensanspruch ist fallibel, das heißt fehleranfällig, wenn man mit ihm etwas behauptet, was durchaus auch falsch sein kann. Und wenn keine zwingenden Gründe existieren, um den Anspruch einzulösen. Markus Gabriel weiß: „Die meisten Wissensansprüche sind fallibel, weil wir niemals alle Umstände überblicken, um uns mit unseren Urteilen ganz sicher sein zu können.“ Je komplexer die Wirklichkeit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass selbst die am besten abgesicherten Wissensansprüche letztlich falsch sind. In moralischen Fragen ist das nicht anders, denn auch dort geht es darum, wie die Wirklichkeit beschaffen ist. Moralische Werte sind universal. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Im 15. Jahrhundert war Deutschland unbekannt

Als sich das 15. Jahrhundert seinem Ende zuneigte, war Deutschland nach wie vor nur unvollständig bekannt. Sogar Beschreibungen des Charakters seines Volkes waren selten, sparsam im Detail und von mangelhafter Genauigkeit. Helmut Walser Smith fügt hinzu: „Keine Karte zeichnete die deutschen Lande maßstabsgetreu, keine Zeichnung zeigte seine Grenzen. Und noch niemand hatte Deutschland als Raum mit einer deutlich erkennbaren Form beschrieben.“ Vielleicht war die zweidimensionale, maßstabsgetreue Wahrnehmung für die Menschen ebenso unwichtig wie das eigene Geburtsjahr. Doch die Erfindung des Buchdrucks hatte die Möglichkeiten von Wort und Bild schon zu verändern begonnen. Sie hatte beiden Flügel verliehen, während die Entdeckungen jenseits des Atlantiks und entlang der zerklüfteten Küsten Afrikas eine neue Neugier auf die Welt weckten. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

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Freiheit braucht beherzte Gelassenheit

Freiheit ist für Paul Kirchhof stets ein Wagnis. Denn die freie Entscheidung ist nicht immer richtig. Sie folgt ohnehin selten den Kategorien Richtig oder Falsch, entspricht aber dem Willen des Entscheidenden. Paul Kirchhof ergänzt: „Würde er sein Leben der grüblerischen Selbstvergewisserung über den gewählten Lebensweg widmen, tauschte er Freiheitsmut gegen Freiheitsängstlichkeit, Entschlossenheit gegen Zögerlichkeit, Selbstgewissheit gegen Unsicherheit, Freiheit gegen Antriebslosigkeit.“ Die Freiheit würde den Menschen überfordern, wenn er nicht Entschiedenes als Vergangenes hinter sich lässt, Gegenwärtigem selbstbewusst begegnet, Zukünftiges erhofft, aber nicht mit verlässlicher Gewissheit voraussehen will. Freiheit braucht beherzte Gelassenheit. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Die digitale Welt bietet Chancen und Risiken

In seinem neuen Buch „Klick“ beschreibt der Psychologe und Risikoforscher Gerd Gigerenzer anhand vieler konkreter Beispiele, wie Menschen die Chancen und Risiken der digitalen Welt für ihr Leben richtig einschätzen können. Dabei geht es auch um die Frage, wie man sich am besten vor den Verlockungen sozialer Medien schützen kann. In den letzten Jahren hat Gerd Gigerenzer bei vielen populärwissenschaftlichen Veranstaltungen über Künstliche Intelligenz (KI) gesprochen. Dabei war er immer wieder überrascht, wie verbreitet das bedingungslose Vertrauen in komplexe Algorithmen zu sein scheint. Wenn man Menschen durch Software ersetze, könne man die Welt besser und angenehmer machen, versicherten die Tech-Vertreter den Zuhörern. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

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Wach ist mächtiger als Dumpf

Dumpf ist mächtig, aber Wach ist noch mächtiger. Dumpf will keine unabhängigen, individuellen Gedanken. Wach steht auf die eigenen kreativen Ideen aller, und tut alles, um das Selbstdenken zu teilen und zu vernetzen. Rebekka Reinhard fügt hinzu: „Wach arbeitet individuell-sozial wider die verblödete Vernunft. Es öffnet Filterblasen und Echokammern nicht mit der Brechstange, sondern mit einer spielerischen Haltung.“ Wach rebelliert gegen die Versteifung und handelt, bevor es bereit dazu ist. Es fordert nicht Heroismus, sondern „spielt“ den Helden – und bewirkt eben dadurch Großes. Die Logik des Computers ist zu Dumpf, um Wach zu kapieren. Wach ist ein Kind des philosophischen Pragmatismus. Wie Skinners behavioristische Technologie ist die pragmatische Methode eine höchst einflussreiche amerikanische Erfindung. Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit 2019 stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Das Wissen hat die Welt zum Besseren verändert

Der Glaube und das Wissen verlangen im Rahmen der notwendigen Autorität die absolute Unterwerfung der Menschen. Ein Hinterfragen der „Wahrheiten“ ist oft nicht erwünscht. Ille C. Gebeshuber stellt fest: „Natürlich hat das System Wissen dem System Glauben, das Gott in den Mittelpunkt stellt, einiges voraus.“ Die Einführung des auf der Natur aufbauenden wissenschaftlichen Systems erlaubte nicht nur die Schaffung einer gesicherten Wissensbasis, sondern auch die Vernetzung des Wissens. Die gesellschaftliche Entwicklung, die auf diesem Wissen aufbaute, führte zum Umdenken der Renaissance. Das Interesse der Menschen an ihrem Umfeld wuchs, und wer um die Dinge weiß, den kümmern sie. Das Wissen hat, durch den mit ihm zusammenhängenden Humanismus, die Welt zum Besseren verändert. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Hegel ist ein Philosoph des Politisches

Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist offensichtlich ein Philosoph des Politischen, und so wurde und wird er auch rezipiert. In der Gegenwart gibt es zudem ein starkes Interesse an seiner Rechtsphilosophie. In dieser sehen viele ein probates Mittel zur Überwindung der Krise der liberalen Demokratien. Patrick Eiden-Offe stellt fest: „Das ganze 20. Jahrhundert hindurch zog man Hegel als Ratgeber in Krisen- Umbruchssituationen heran.“ Der große marxistische Literaturwissenschaftler Hans Mayer hat Hegels „Phänomenologie des Geistes“ immer wieder gelesen: „Nicht als berühmtes Buch der Philosophiegeschichte, sondern als Einübung beim Verstehen meiner jeweiligen Gegenwart“. Es geht also nicht darum, die Begriffe Hegels auf die eigene Gegenwart in Gebrauch zu nehmen. Sondern es geht darum, die Gegenwart erst einmal als eine unverstandene anzuerkennen und sich ihr dann in einem langen Prozess anzunähern. Patrick Eiden-Offe ist Literatur- und Kulturwissenschaftler.

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Im Universum sind keine Fallen aufgebaut

Die Menschen dehnen ihren Erkenntnishorizont so weit wie jemals möglich aus. Das bedeutet, dass sie unterstellen, dass das Universum sich weiterhin als mehr oder weniger erkennbar für sie herausstellt. Markus Gabriel fügt hinzu: „Wir erwarten nicht, dass im Universum Fallen eingebaut sind, die es unmöglich machen, Weiteres über es herauszufinden.“ Und selbst wenn es solche Fallen gäbe, könnten die Menschen diese physikalisch nicht entdecken – das soll ja gerade der Trick solcher Fallen sein. Markus Gabriel nennt dies das „Prinzip der Erkennbarkeit“. Das Universum ist demnach mindestens in dem Maße erkennbar, in dem die Menschen es naturwissenschaftlich erfasst haben. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Das Vertrauen ist selbst in einer Krise

Vertrauen reagiert nicht auf eine Krise, indem es in Misstrauen kippt. Denn ist selbst Teil einer Krise. Martin Hartmann nennt ein Beispiel: „Wie umfassend die Zweifel an alten Gewissheiten geworden sind, können auch die Diskussionen zum Klimawandel zeigen.“ Natürlich gibt es eine ganze Menge Evidenzen, die nahelegen, dass menschliche Einflüsse das Erdklima erwärmen. Wirkliche Gewissheit gibt es aber, so behaupten manche, nicht. Das ist die Chance der Leugner und natürlich auch der Verschwörungstheoretiker. Beide leben weniger vom kalkulierbaren Risiko als von der prinzipiellen Ungewissheit, von der sie sich ernähren. Man kann Verschwörungstheorien bekanntlich nicht widerlegen, und zwar nicht nur, weil sie meist von paranoiden Charakteren getragen werden. Diese haben keinerlei Interessen an einer Belehrung. Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

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Für die Macht von Märkten gibt es Grenzen

Adam Smiths „unsichtbare Hand“ ist für Joseph Stiglitz vielleicht die bedeutendste Idee in der modernen Volkswirtschaftslehre überhaupt. Es handelt sich dabei um die Annahme, eigennützige Interessen zu verfolgen, führe wie von „unsichtbarer Hand gelenkt“ zum gesamtwirtschaftlichen Wohlergehen. Aber schon Adam Smith erkannte auch die Grenzen der Macht von Märkten und die Notwendigkeit staatlichen Handelns. Inzwischen weiß man, dass die Rolle des Staates in einer Marktwirtschaft fundamental ist. Man braucht ihn, damit er tut, was Märkte nicht tun können, und um zu gewährleisten, dass Märkte so funktionieren, wie sie funktionieren sollten. Damit Märkte von sich aus gut funktionieren, müssen zahlreiche Bedingungen erfüllt sein. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Die Raumzeit existiert in ihrer Gesamtheit

Die meisten Menschen nennen diejenigen Dinge „real“, die jetzt, in der Gegenwart existieren. Nicht das jedoch nennen sie „real“, was vor einiger Zeit existiert hat oder in der Zukunft existieren wird. Sie sagen, dass die Dinge in der Vergangenheit real „waren“ oder dass es die in der Zukunft „sein werden.“ Sie sagen aber nicht, dass sie real sind. Carlo Rovelli erläutert: „Die Philosophen nennen Präsentismus die Vorstellung, dass nur die Gegenwart real sei.“ Real seien aber nicht die Vergangenheit und die Zukunft, denn die Realität entwickelt sich von einer Gegenwart zur nächsten. Diese Art Denken funktioniert nur dann, wenn Gegenwart global definiert wird. Nicht aber, wenn man sie nur für das nähere Umfeld eingrenzt. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Maren Urner: „Alles beginnt in unserem Kopf!“

Wie können sich Menschen aus der Endlosschleife von Krisen befreien? Antworten auf diese Frage gibt Maren Urner in ihrem neuen Buch „Raus aus der ewigen Dauerkrise“. Dabei muss man lernen, die gewohnten Denkmuster hinter sich zu lassen. Die Autorin stellt dazu die neuesten Erkenntnisse der neurowissenschaftlichen und psychologischen Forschung vor. Maren Urner zeigt, wie man sein Gehirn besser verstehen und nutzen kann, um den Krisenmodus zu überwinden. Ihr Credo lautet: „Alles beginnt in unserem Kopf!“ Außerdem beschreibt sie die Denkfallen, die Menschen gerade in Krisenzeiten das Leben schwer machen und sie von einem Missverständnis zum nächsten stolpern lässt. Deshalb stellt Maren Urner das Konzept eines neuen, dynamischen Denkens vor, das den Weg aus der Endlosschleife des vermeintlich alternativlosen Denkens weist. Dr. Maren Urner ist Professorin für Medienpsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln.

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Josef H. Reichholf kennt viele Flüsse

Der Fluss hat keine Definition nötig, möchte man meinen. Jedes Fließgewässer, vom Bach bis zum Strom, vom Rinnsal bis zum Kanal, ist sichtbar. Allenfalls stellt sich die Frage nach der Größe. Weil die längsten Flüsse auch nicht die wasserreichsten sein müssen. Und weil ihre Wasserführung bekanntlich stark schwanken kann. Josef H. Reichholf weiß: „Aber ganz so einfach ist es nicht, wenn wir ein Fließgewässer genauer charakterisieren oder in einer bestimmten Weise nutzen wollen.“ Nur eine grobe Annäherung bildet eine kartografische Darstellung. Ihr lässt sich entnehmen, am besten von der Mündung aus, also an seinem „Ende“ beginnend, wie lang der Fluss ungefähr ist. Denn die entfernteste Quelle wird üblicherweise als Anfang gewertet. Josef H. Reichholf lehrte an der Technischen Universität München 30 Jahre lang Gewässerökologie und Naturschutz.

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Ideen verbesserten die Umstände des Menschseins

Die Umstände des Menschseins verbesserten sich nicht dank eines kosmischen Ereignisses oder eines Geschenks der Götter. Es waren Ideen, die alles veränderten. Ideen, die der wissenschaftlichen Revolution und der Aufklärung zugrunde lagen. Die Rettung der Menschheit aus dem erschütternden Elend ihrer Vorväter kam mit der Anerkennung von Gedankenfreiheit. Ebenso wichtig war die Befreiung von Knechtschaft und Aberglaube. Dazu kam noch die Zerschlagung des kirchlichen Monopols durch das Wissen und die Achtung der Autonomie des Individuums. Nadav Eyal ergänzt: „Die Werte der Aufklärung, darunter Freiheit und Gerechtigkeit, bildeten die Grundstein für den Aufbau sozialer Einrichtungen und den Schutz privaten Eigentums.“ Sie brachten einen erheblichen Fortschritt in die Lebensumstände der Menschen. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

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Die liberalen Demokratien sind gefährdet

Mit Überzeugung und Selbstgewissheit hat das liberale Establishment den weltweiten Vormarsch des Ultrakapitalismus betrieben. Und dies unbeirrt durch alle Krisen hindurch, konsequent seit den siebziger Jahren. Dieses Unterfangen ist laut Roger de Weck gelungen. Trotzdem mündet es jetzt in ein doppeltes Fiasko: „Sowohl die liberale Wirtschaft als auch die liberale Demokratie sind weniger liberal geworden.“ Die Marktwirtschaft hat sich in eine Machtwirtschaft verwandelt. Zudem rütteln zwei Spielarten des Autoritarismus am Fundament liberaler Demokratien. Erstens die Willkürherrschaft der Reaktionäre. Zweitens die Geldherrschaft von Milliardären, sprich Plutokratie. Der Sieg der Neoliberalen bedrängt den Liberalismus und die Liberalität – eine fatale Erfolgsgeschichte. Im Kapitalismus hatte das Kapital seit je Vorrang vor andern Faktoren der Produktion. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Das Coronavirus war nicht besonders tödlich

Skeptiker weisen gerne darauf hin, das Bemerkenswerteste an der Covid-Krise sei, dass man aus etwas Gewöhnlichem eine globale Krise gemacht hätte. Egal, was man tut, Menschen sterben, und an Covid sterben dieselben Menschen, die normalerweise auch sterben – alte Menschen mit Vorerkrankungen. Adam Tooze nennt Beispiele: „In einem normalen Jahr sterben diese Menschen an Grippe und Lungenentzündung. Jenseits des privilegierten Kerns der reichen Welt sterben Millionen von Menschen an Infektionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose und HIV. Und trotzdem geht das Leben weiter.“ Das Coronavirus war, gemessen an den Maßstäben historischer Seuchen, nicht besonders tödlich. Was beispiellos war, war die Reaktion. Überall auf der Welt kam das öffentliche Leben zum Erliegen, genauso wie große Teile des Handels und des regulären Geschäftsverkehrs. Adam Tooze lehrt an der Columbia University und zählt zu den führenden Wirtschaftshistorikern der Gegenwart.

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Dem Sozialstaat droht die Überforderung

Die Coronakrise hat weitreichende Folgen für die Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie für die Zukunft des Sozialstaats. Clemens Fuest erklärt: „In der Krise erleiden sowohl Vermögende als auch viele abhängig Beschäftigte Verluste. Verschiedene Gruppen sind sehr unterschiedlich betroffen.“ Schon während der Krise zeigt sich, dass Menschen mit hoher Berufsqualifikation besser vor Jobverlusten geschützt sind als andere. Nach der Coronakrise wird sich das Gefälle in den Berufs- und Einkommenschancen zwischen hoch und niedrig qualifizierten Erwerbstätigen voraussichtlich weiter vergrößern. Das hat laut Clemens Fuest zwei Gründe. Der erste liegt in der Beschleunigung der Digitalisierung und des Strukturwandels. Sie begünstigt höher qualifizierte Arbeit. Der zweite liegt in den Schulschließungen während der Krise. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

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