Moralische Werte sind universal

Ein Wissensanspruch ist fallibel, das heißt fehleranfällig, wenn man mit ihm etwas behauptet, was durchaus auch falsch sein kann. Und wenn keine zwingenden Gründe existieren, um den Anspruch einzulösen. Markus Gabriel weiß: „Die meisten Wissensansprüche sind fallibel, weil wir niemals alle Umstände überblicken, um uns mit unseren Urteilen ganz sicher sein zu können.“ Je komplexer die Wirklichkeit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass selbst die am besten abgesicherten Wissensansprüche letztlich falsch sind. In moralischen Fragen ist das nicht anders, denn auch dort geht es darum, wie die Wirklichkeit beschaffen ist. Moralische Werte sind universal. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Ökonomische Werte gelten nicht universal

Moralische Werte gelten für alle Menschen, überall und zu allen Zeiten, auch wenn dies nicht allen Menschen notwendigerweise völlig klar ist. Deswegen kann man sich über Werte im Irrtum befinden. Daraus, dass sie universal sind, folgt nicht, dass jeder sie die ganze Zeit einsieht. Insbesondere unterscheiden sich moralische von ökonomischen Werten. Ökonomische Werte werden an der Börse, in Währungen und von Banken gemessen. Sie drücken Ergebnisse von Verhandlungsprozessen aus, die mit Warenproduktion und Warentausch zusammenhängen.

Ökonomische Werte gelten nicht universal und zeitübergreifend. Außerdem gelten im ökonomischen Bereich teils sehr unmoralische Spielregeln. Denn es ist üblich, Gewinne und Profite dadurch zu erzielen, dass man anderen Menschen gezielt Verluste bereitet oder ihnen zumindest gewinnbringende Informationen vorenthält. In einer guten Gesellschaft wird durch politische Maßnahmen die richtige Rangordnung zwischen moralischen und ökonomischen Werten angestrebt. Dies drückt sich in rechtlichen Regeln aus.

In den USA ist der Dollar mehr wert als die Gesundheit

Der Rechtsstaat sorgt im Idealfall dafür, dass die Warenproduktion und der Warentausch moralische Mindeststandards nicht verletzen. Die Ethik steht dann über der ökonomischen Wertsteigerung, und unmoralisches Wirtschaftswachstum wird als schlechter angesehen als eine Rezession. So ist etwa Menschenhandel in Deutschland und vielen anderen Staaten verboten. Außerdem gibt es einen Mindestlohn, eine allgemeine Krankenversicherung sowie weitere sozialstaatliche Maßnahmen, damit nicht alles und jeder den Regeln des Marktes unterworfen sind.

Wenn hingegen nur ökonomische Werte herrschen und wichtiger sind als moralische Werte, befindet man sich in einer unmoralischen verwerflichen Gesellschaftsform. Eine solche kann man teilweise in den USA beobachten, in Details aber auch in Deutschland und, genau betrachtet, letztlich überall nachweisen. Vor allem in den USA gilt der Dollar mehr als die Gesundheit von Menschen, die sich eine Krankenversicherung schlicht nicht leisten können. Dennoch sind ökonomische Werte unverzichtbar für die Umsetzung moralischer Werte. Quelle: „Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies