Im Universum sind keine Fallen aufgebaut

Die Menschen dehnen ihren Erkenntnishorizont so weit wie jemals möglich aus. Das bedeutet, dass sie unterstellen, dass das Universum sich weiterhin als mehr oder weniger erkennbar für sie herausstellt. Markus Gabriel fügt hinzu: „Wir erwarten nicht, dass im Universum Fallen eingebaut sind, die es unmöglich machen, Weiteres über es herauszufinden.“ Und selbst wenn es solche Fallen gäbe, könnten die Menschen diese physikalisch nicht entdecken – das soll ja gerade der Trick solcher Fallen sein. Markus Gabriel nennt dies das „Prinzip der Erkennbarkeit“. Das Universum ist demnach mindestens in dem Maße erkennbar, in dem die Menschen es naturwissenschaftlich erfasst haben. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Martin Heidegger spricht von „Unverborgenheit“

Die Grenzen dessen, was die Menschen naturwissenschaftlich wissen, und was noch nicht, sind dabei unscharf. Denn vieles von dem, was derzeit als unrevidierbar erscheint, noch einmal einer Revision unterzogen werden könnte. Außerdem lauern sicher noch Überraschungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung oder der dunklen Materie auf die Menschheit. Vielleicht befinden sie sich sogar irgendwo aus Skalen, die zu klein sind, um aktuell experimentell bearbeitet werden zu können.

Martin Heidegger hat seinen eigenen Namen für das Prinzip der Erkennbarkeit. Er spricht von „Unverborgenheit“ und meint damit, dass das Wirkliche sich den Menschen erschließt. Markus Gabriel ergänzt: „Wir wissen aber gleichzeitig, dass sich das Wirkliche nur vor dem Hintergrund des noch nicht Gewussten und des Unwissbaren eröffnet.“ Einiges von dem, was die Menschen nicht wissen, werden sie auch niemals wissen, weil sie nicht einmal wissen, dass sie es nicht wissen. Diese Struktur ähnelt der des Vergessens.

Das Wissen hat eine dynamische Struktur

Tiefe Vergessenheit besteht zum Beispiel darin, dass die Menschen nicht wissen, ob und wann genau sie vorliegt. Das menschliche Wissen hat deswegen eine dynamische Struktur der ständigen Grenzverschiebung ins Unbekannte. Aber jeder Schritt, den die Menschen in der Neuzeit tun, setzt voraus, dass die Wirklichkeit aus Gegenständen besteht, die sie entdecken und untersuchen können. Aber woher wissen sie, dass das überhaupt zutrifft? Es handelt sich um eine Voraussetzung, von der die Menschen derzeit gar nicht einsehen können, wie es eine Alternative zu ihr geben könnte.

Und genau das macht den Menschen laut Martin Heidegger Angst. Sie wissen, dass es eine sich dynamisch verschiebende Grenze des Wissens gibt. Doch das Bild davon, was Wissen ist und wie die Menschen seine dynamische Entwicklung nachvollziehen, könnte sich auch seinerseits verschieben. Ohne dass die Menschen derzeit irgendeine Ahnung davon haben können, wie dies aussieht. Markus Gabriel stellt fest: „Deswegen sind wir an dieser Stelle einer Leere ausgesetzt, die wir nicht füllen können.“ Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies