Die Naturwissenschaften mehrten das Wissen

Je nachdem, ob man diesen Begriff weit oder eng fasst, kann man sagen, dass die Naturwissenschaften mit Isaac Newton, Galileo Galilei, Archimedes, Hipparch, Hippokrates, Pythagoras oder Anaximander ihren Anfang nahmen. Ob historisch oder symbolisch, jeder dieser Momente kennzeichnet den Erwerb eines neuen Instruments in der Menschheitsgeschichte. Jeder davon war für die Mehrung des Wissens von entscheidender Bedeutung. Carlo Rovelli stellt fest: „Wenn wir mit Naturwissenschaften eine Forschung meinen, die auf systematischen Experimenten basiert, dann begann sie mehr oder weniger mit Galilei.“ Wenn man damit eine Sammlung quantitativer Beobachtungen und theoretisch-mathematischer Modelle meint, gehört auch die Astronomie von Hipparch und Ptolemäus zur Naturwissenschaft. Denn sie ordnen ihre Beobachtungen und ermöglichen präzise Vorhersagen. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

Einstein und Heisenberg entdeckten neue Naturgesetze

Über das Wesen naturwissenschaftlicher Erkenntnis ist im letzten Jahrhundert lebhaft diskutiert worden. Diese Debatte war zu einem beträchtlichen Teil die Reaktion auf einen Schock: den unerwarteten Zusammenbruch der Newton`schen Physik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert herrschte auf Seiten der Denker ein großer Irrtum vor. Nämlich die Vorstellung, dass gute naturwissenschaftliche Theorien das letzte Wort sind und bis zum Ende aller Zeiten gültig bleiben.

Carlo Rovelli erklärt: „Das 20. Jahrhundert zerstörte diese Illusion. Experimente mit sehr hoher Messgenauigkeit zeigten, dass Newtons Theorie genaugenommen fehlerhaft ist. Beispielsweise folgt der Planet Merkur nicht exakt der Bahn, die die Newton`schen Gesetze vorgeben.“ Albert Einstein, Werner Heisenberg und ihre Kollegen entdeckten neue grundlegende Naturgesetze. Nämlich die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenmechanik. Sie ersetzen Gesetze, in denen Newtons Theorie ihre Gültigkeit verliert. Zum Beispiel bei der Berechnung der Merkurbahn oder dem Verhalten von Elektronen in Atomen.

Eine „Theorie für Alles“ wird es niemals geben

Nur wenige Menschen glauben heutzutage noch, dass es endgültige naturwissenschaftliche Gesetze gibt. Allgemein erwartet man, dass auch die neuen Gesetzmäßigkeiten Albert Einsteins oder Werner Heisenbergs eines Tages an ihre Grenzen stoßen und durch bessere ersetzt werden. Dennoch gibt es auch heute noch Naturwissenschaftler, die glauben, dass es bald eine sogenannte „endgültige Theorie“ oder eine „Theorie für Alles“ geben könnte. Tatsächlich beginnen sich die Grenzen von Einsteins und Heisenbergs Theorien bereits abzuzeichnen.

Da die endgültigen und definitiven Gesetze des Universums noch nicht gefunden sind, geht die Forschung weiter. Dennoch brachten schon Einsteins und Heisenbergs Theorien zwei radikale Umwälzungen des gängigen Weltbilds mit sich. Isaac Newton sah die Welt als riesigen leeren Raum an, in dem sich „Teilchen“ wie Kieselsteine bewegen. Albert Einstein begriff, dass dieser leere Raum selbst wie ein sturmgepeitschtes Meer ist. Dieses Meer kann sich in sich zurückfalten, sich krümmen und sogar im Fall der berühmten schwarzen Löcher reißen. Quelle: „Die Geburt der Wissenschaft“ von Carlo Rovelli

Von Hans Klumbies