Ideen verbesserten die Umstände des Menschseins

Die Umstände des Menschseins verbesserten sich nicht dank eines kosmischen Ereignisses oder eines Geschenks der Götter. Es waren Ideen, die alles veränderten. Ideen, die der wissenschaftlichen Revolution und der Aufklärung zugrunde lagen. Die Rettung der Menschheit aus dem erschütternden Elend ihrer Vorväter kam mit der Anerkennung von Gedankenfreiheit. Ebenso wichtig war die Befreiung von Knechtschaft und Aberglaube. Dazu kam noch die Zerschlagung des kirchlichen Monopols durch das Wissen und die Achtung der Autonomie des Individuums. Nadav Eyal ergänzt: „Die Werte der Aufklärung, darunter Freiheit und Gerechtigkeit, bildeten die Grundstein für den Aufbau sozialer Einrichtungen und den Schutz privaten Eigentums.“ Sie brachten einen erheblichen Fortschritt in die Lebensumstände der Menschen. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

Die Menschen sollen ihren Verstand nutzen

Immanuel Kant schriebt: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Der Philosoph aus Königsberg fordert die Menschen auf, mutig zu sein und ihren Verstand zu nutzen. Der Schutzpanzer des erstarkenden Liberalismus bewahrte die wissenschaftlichen Durchbrüche vor Verfolgung und ermöglichte so die industrielle Revolution. Diese brauchte die Globalisierung, um ihre Erzeugnisse in der Welt zu vertreiben und so am Leben zu bleiben.

Karl Marx und Friedrich Engels verstanden das Prinzip der Globalisierung schon 1848: „Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.“ Bald nach Erscheinen des „Kommunistischen Manifests“ vertrieb Großbritannien bereits die Hälfte seiner Baumwollstoffe in alle Welt. Dabei baute es selbst gar keine Baumwolle an. Dies lag an der Produktivität der industriellen Revolution, die billigere Waren ermöglichte und sie in weite Fernen verbreitete.

Angebot und Nachfrage treibt die Globalisierung an

Die Globalisierung erbittet nichts, sie befiehlt – und ihr Befehl ist Produktivität. Sie beurteilt Produktivität nach wirtschaftlichen Kriterien aus dem Blickwinkel der Konzerne. Und das Lokale ist nur insofern relevant, als es dieses Ziel fördert oder behindert. Wenn sie ungeregelt und ohne ethische Grundsätze abläuft, ist sie völlig blind, angetrieben schlechtweg durch Angebot und Nachfrage. Sie ist ein allumfassender, rücksichtslos vorpreschender Prozess mit hellen und dunklen Facetten.

Starke soziale Institutionen waren eine – relativ optimistisch stimmende – Folge, und Bildung ist ein gutes Beispiel dafür. Die industrielle Revolution brauchte eine Arbeiterschaft, die zumindest Grundschulwissen besaß, um in den Fabriken arbeiten zu können. Das war ein kapitalistisches Bedürfnis. Das staatliche Schulwesen löste sich jedoch von diesem Ursprung und entwickelte sich zu einem eigenständigen Wert, der mit Gleichheit zu tun hatte. Allein im 19. Jahrhundert verdoppelte sich der Anteil der über Fünfzehnjährigen mit Grundschulbildung in aller Welt von 17 Prozent auf 33 Prozent. Quelle: „Revolte“ von Nadav Eyal

Von Hans Klumbies